Johannes Brahms
The Piano Concertos
Herbert Schuch (Klavier), Bochumer Symphoniker, Ltg. Tung-Chieh Chuang
Seiner umfangreichen Diskografie fügt Herbert Schuch ein Doppelalbum mit den beiden Klavierkonzerten von Johannes Brahms hinzu. Die Frage, warum er eine Neueinspielung dieser so überaus häufig aufs Programm gesetzten Konzerte vorlege, beantwortet er in einem kurzen Text im Booklet damit, dass er keine alternativen Klavierkonzerte in der romantischen Epoche kenne, mit Ausnahme der von Schumann, in denen dramatische Zuspitzung bzw. kammermusikalisches Konzertieren mit einer nie selbstbezogenen Virtuosität verbunden sind. Um die Konzertsituation beizubehalten, wurden die Sätze live aufgenommen, ausgewählt aus Konzerten im September 2022 und Juni 2023.
Diese Interpretationen der Brahms-Konzerte sind überaus gelungen, sie besitzen Eigenheiten, die sie von anderen absetzen. Generell werden recht ruhige Tempi gewählt, die die Konzerte sich als große Erzählung entwickeln lassen. Schuch vermag es, auch Heterogenes in der Komposition in den epischen Verlauf zu integrieren, ohne dabei den Detailreichtum zu vernachlässigen. Die Bochumer Symphoniker pflegen eine dunkle Grundfarbe, die Tutti erklingen intensiv und expressiv, ohne in der Kraft aufzutrumpfen oder süßlich zu werden. Klavier und Orchester sind klanglich und farblich sehr flexibel ausbalanciert.
Den ersten Einsatz des Klaviers im Kopfsatz des d-Moll-Konzerts op. 15 nimmt Schuch unmerklich, er lässt erstaunen, dass nach der langen sinfonischen Einleitung doch noch ein Soloinstrument einsteigt, als hätte man das Stück noch nie gehört. Wie gegensätzlich ist der Beginn des B-Dur-Konzerts op. 83: Das Klavier spielt unmittelbar nach sechs Tönen in die Hornmelodie hinein, wie in einer freien Fantasie. Sowohl Solist als auch Orchester verdeutlichen die Polyfonie des Brahms’schen Satzes, sie heben Kanonstimmen heraus, Schuch holt auch Melodisches in Begleitfiguren der linken Hand hervor. Die Orchesterlinien im Adagio des ersten Konzerts werden sehr dicht gespielt, die Klaviereinwürfe nimmt Schuch mit großer innerer Ruhe. Im Finale kommt er, wo dies nötig ist, zu großer Klangentfaltung. Das Allegro appassionato des zweiten Konzerts zeigt ein perfektes Zusammenspiel, die Rubati im Hauptthema gestaltet Schuch in nuancierten Varianten, Tung-Chieh Chuang geht stets aufmerksam mit.
Als Zugaben fügt Schuch einige Klavierstücke von Brahms hinzu, so die Intermezzi op. 117,1 und op. 118,2 sowie das berühmte Wiegenlied op. 49,4 in einer eigenen Bearbeitung der Fassungen von Reger und Cortot. Seine Frau Gülru Ensari bildet mit ihm ein Klavierduo, beide spielen vierhändig den Ungarischen Tanz Nr. 5 und einen Walzer aus op. 39. Dass der informative deutsche Begleittext partiell zu vertraulich wirkt, mag der Übersetzung geschuldet sein und tut der hohen Qualität dieser Produktion keinen Abbruch.
Christian Kuntze-Krakau


