Rita Strohl

Musique orchestrale, Volume 3

Marie Perbost (Sopran), Lucile Richardot (Mezzosopran), Orchestre national d’Île-de-France, Ltg. Case Scaglioni

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: La Boîte à Pépites/Palazzetto Bru Zane
erschienen in: das Orchester 11/2025 , Seite 72

Künstlerisches Temperament und bewundernswerte Begabung attestierte ihr zum Studienabschluss das Pariser Konservatorium, das sie als 13-Jährige aufgenommen hatte. Das klingt wie ein Versprechen. Rita Strohl, Tochter eines Cello spielenden Marineoffiziers und einer Malerin, hat es eingelöst. Die Bretonin wagte sich, von misogynen Kritikern attackiert, in der Belle Époque in die von Männern dominierte Orchestermusik und die Oper vor.
Dies mit duftig transparentem Orchestersatz: Das offenbart die dritte Strohl-Edition, die das französische Label La boîte à pépites der „compositrice de la démesure“, der ungebärdigen, Grenzen der Konvention brechenden Komponistin, widmet. Der 2020 gegründete französische Verein „Elles Women Composers“ um die Cellistin Heloïse Luzzati eröffnet mit ihr einen Schatz von wiederzuentdeckenden Komponistinnen.
Eine Entdeckung ist die mit Unterstützung des Palazzetto Bru Zane veröffentlichte Edition. Eine Jugendsinfonie hat die 1865 als Marguerite La Rousse la Villette in Lorient geborene Komponistin vernichtet. Ihren skrupulös hohen Anspruch an sich selbst hat sie 1901 in ihrer Symphonie de la Forêt eingelöst, der im Jahr darauf noch eine (nicht mitveröffentlichte) Symphonie de la mer folgte. Das ist kein Waldesrauschen deutscher Romantiker. Es ist eine doppelbödige Musik seelischer Chiffren der Natur. Symbolistisch gefärbt, geprägt durch eine aufwühlende neue Harmonik, wirken die vier Sätze „L’Étang“ (Der Teich), „L’Âme en peine“ (Not der Seele), „Marche funèbre d’un scarabée“ (Trauermarsch für einen Käfer) als Scherzo und „Chasse à l’aurore“ (Jagd im Sonnenaufgang).
Ein chromatisch durchwirktes, leidenschaftliches Tosen. Das Orchestre national d’Île-de-France hat es mit aufwallenden, bis ins Detail transparenten Tutti-Wogen und oszillierendem Filigran unter der Leitung seines amerikanischen Chefdirigenten Case Scaglione einstudiert.
Vier Orchesterlieder bereichern die Aufnahme. Sie beweisen, wie sich der Aufbruch der 1941 in Südfrankreich verstorbenen Komponistin in eine neue Zeit bei aller Esoterik mit Debussy kreuzte. Schönstes Beispiel der CD ist La Flûte de Pan, eine Vertonung der Lieder der Bilitis des Erotikers Pierre Louÿs, die auch Debussy stimulierten. Ihr widmet sich Marie Perbost mit warmem, lyrischem Sopran emphatisch wie den 1899, ein Jahr früher, entstandenen Les Cygnes (Die Schwäne) nach einem Text des Belgiers Georges Rodenbach, der Erich Wolfgang Korngold zu seiner Toten Stadt anregte. Kühler nimmt Mezzo Lucile Richardot La Momie und die Baudelaire-Vertonung La Cloche fêlée (Die geborstene Glocke). Reizvolle Pentatonik spielt das Prélude zum zweiten Akt des von den Upanishaden der Hindus beeinflussten Mysteriums Yajnavalkya aus.
Bernd Aulich

 

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