Antonia Bembo
L’Ercole amante. Opera in Five Acts and a Prologue
Yannick Debus (Bariton), Alena Dantcheva, Anita Rosati (Sopran) u. a., Il Gusto Barocco, Ltg. Jörg Halubek
Die Entdeckung von Komponistinnen gehört zu den wichtigen positiven Entwicklungen des Musikbetriebs in den letzten Jahren. In Stuttgart fand 2023 die Welturaufführung von Antonia Bembos Oper L’Ercole amante durch Il Gusto Barocco unter der Leitung von Jörg Halubek statt, die der SWR in einer CD-Produktion dokumentierte. Antonia Bembo (1640–1720) war eine Arzttochter, die von dem venezianischen Opernkomponisten Francesco Cavalli als Musikerin ausgebildet wurde, den Adeligen Lorenzo Bembo heiratete, aus dieser unglücklichen Ehe nach Paris entfloh, vor Ludwig XIV. als Sängerin auftrat, von diesem eine lebenslange Pension erhielt und fortan in einem Damenstift sich dem Komponieren widmete, wie Silke Leopold im informativen Einführungstext schreibt. Sie legt auch plausible Vermutungen vor, warum sich Antonia Bembo in ihrer Oper einem alten Libretto zuwandte, das 45 Jahre zuvor von ihrem einstigen Lehrer Cavalli als Festoper für den Pariser Hof vertont, allerdings nicht aufgeführt wurde. Als Antonia Bembo ihre neue Fassung des Hercules-Stoffs komponierte, hatte eine italienische Oper kaum eine Chance, in Paris aufgeführt zu werden, da dort nun französische Opern beliebt waren. So schrieb sie dieses Werk für die Schublade oder möglicherweise für Aufführungen in ihrem Damenstift, jedenfalls nicht für die große Öffentlichkeit, die damals für Komponistinnen sowieso verschlossen war.
Antonia Bembos Lebensweg zeigt, wie schwierig es damals für eine Frau war, selbstständig und schöpferisch zu wirken, auch wenn sie noch so begabt und privilegiert war. Spiegelt sich dieses Schicksal auch in der Musik? Nach dem Hören dieser CD lässt sich diese Frage nicht beantworten. Wir hören eine Oper, in welcher das Deklamieren und Rezitieren des Textes sehr wichtig sind, und Arien, die sehr feinsinnig, aber keineswegs so dramatisch die szenische Situation reflektieren wie z. B. die von Barbara Strozzi. Hervorzuheben und vom Instrumentalensemble sehr differenziert dargestellt sind die feinen Klangfarben, die möglicherweise ein Einfluss französischer Musik auf die Komponistin sind.
Jörg Halubek versteht es, seinem Ensemble stets einen transparenten Gesamtklang zu entlocken und bei den Sänger:innen Sprachdeklamation und Melodie in ein Gleichgewicht zu bringen. Die Gesangssolist:innen passen bestens zusammen, da sie alle den Belcanto, d. h. ein sehr differenziertes, klares und stimmlich flexibles Singen, beherrschen. Das zum Hören der CD unbedingt notwendige Libretto und die englische Übersetzung können über einen QR-Code im Internet aufgerufen werden.
Eine musikalisch überzeugende Wiederentdeckung einer vergessenen Opernkomponistin, hoffentlich als Ermutigung für eine szenische Aufführung.
Franzpeter Messmer


