Franziska de Gilde, Mary Ellen Kitchens und Jan Schumacher (Hg.)
Choral Music Composed by Women
Coro SATB, teils mit Klavier oder Orgel, Chorbuch
Begeistert von der Idee, mitzuwirken am Ausgleich des musikgeschichtlichen Ungleichgewichts – die Musikgeschichte ist ja männerdominiert –, wünschen sich viele, Konzertprogramme gezielt mit Kompositionen von Komponistinnen zusammenzustellen. Aber ist der Weg, hier ein Bewusstsein für eine Schieflage zu schaffen, der wieder über Stigmatisierung führt, der richtige? Nun, wahrscheinlich befinden wir uns noch in der Phase der Anthologien, die über das Geschlechtsmerkmal Bewusstseinsbildung erwirken müssen.
So liegt mit diesem Band Choral Music Composed by Women erneut ein faszinierendes Kompendium vor, das Schlaglichter auf kompositorische Geister wirft, die in Frauenkörpern steck(t)en. Alphabetisch geordnet nach Titel der Komposition. Hier könnte man die Frage stellen, warum nicht nach Epoche, Besetzung oder Einfluss auf die Musikgeschichte etc.? Hier sind es die Buchstaben der Titelanfänge. Immerhin liefern die Herausgeber:innen gleich nach dem Inhaltsverzeichnis auch ein thematisches Verzeichnis, das der Chorleiterin Entscheidungshilfen zumindest zum Finden geeigneter Themenschwerpunkte bietet. Leider ist dies nicht so praktisch, wie man denken könnte, denn hier stehen wirklich anspruchsvolle Kompositionen für versierte Chöre neben einfach strukturierter, auch Laien zugänglicher Musik – die Chorleiterin muss sich also durch den ganzen Band spielen, wenn sie genau auf die Bedürfnisse ihres Chores eingehen möchte.
Und so finden sich vielfältigste Sätze für gemischten Chor von Komponistinnen wie Carole Nelson (*1955; Beloved, 5-stimmig), ein toller Satz über Die Gedanken sind frei (Dorothea Hofmann, *1961, phasenweise geteilte Stimmgruppen) oder ein äußerst faszinierender Brückenschlag hin zu Hildegard von Bingen, 2024 komponiert von Dorothee Schabert (Hymnus […]). Generell ist die Gewichtung ausgehend vom 19./deutlich 20. Jahrhundert bis in unsere Zeit hinein augenfällig. Natürlich dürfen Komponistinnen wie Fanny Hensel oder Ethel Smyth nicht fehlen. Aber auch die am Anfang ihres vielversprechenden kompositorischen Weges wandelnde Elisabeth Fußeder (*2000) erhält hier ihren gebührenden Raum (Trinity Halleluja; tonal gebunden, rhythmisch schwingend, sprühend, traditionell notiert, gut geeignet auch für Laienchöre). Ein Kanon von Clara Schumann ist gleichsam noch schnell auf einen freien Platz gehuscht (Wenn ich ein Vöglein wär, S. 103).
Die Herausgeberinnen werden jedenfalls ihrem Anspruch gerecht, „in dieser Chorsammlung eine große Vielfalt abzubilden, die von einfacheren Stücken für Laienchöre […] bis hin zu anspruchsvolleren Werken für Kammerchöre reicht.“ Also: Anspielen, wählen, proben, bekannt machen!
Christina Humenberger


