Georges Bizet

Djamileh/Vasco de Gama

Cantates, Musique chorale, Musique pour piano et mélodies Orchestre National de Lyon, Le Concert de la Loge, Les Siècles, Orchestre National de Metz Grand Est, Flemish Radio Choir, Chœur de l’Òpéra de Lille, Ltg. Ben Glassberg, Julien Chauvin, François-Xavier Roth, David Reiland u. a.

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Palazetto Bru Zane
erschienen in: das Orchester 10/2025 , Seite 75

Die Nachwelt hat es nicht gut gemeint mit Georges Bizet. Sie hat den genialen Melodiker der französischen Romantik, der auf Sentimentalität und bombastisches Pathos verzichtete, auf seinen Opern-Hit Carmen reduziert. Opern-Connaisseure werden noch seine Pêcheurs de perles schätzen. Und Orchestermusiker dürften seine mit 17 Jahren komponierte C-Dur-Sinfonie oder seine beiden L’Arlésienne-Suiten gespielt haben. Dabei gibt es von diesem mit 36 Jahren verstorbenen Meister aller Genres noch so viel zu entdecken.
Zum 150. Todestag und 150 Jahre nach der Carmen-Uraufführung hat ihm der Palazzetto Bru Zane die sechste Folge seiner Portrait-Editionen gewidmet. Die im venezianischen Palazzo Zane residierende Stiftung hat sich als Centre de la musique romantique française seit 2009 unter der Ägide der betuchten Pharma-Erbin Nicole Bru der Erforschung einer an ungehobenen Schätzen reichen Epoche verschrieben. Sie veranstaltet Festivals und fördert die Aufführung unbekannter oder selten aufgeführter Werke. Geschätzt wird sie für ihre wissenschaftlich sorgfältig erarbeiteten CD-Editionen.
Mit fünf Stunden Spieldauer und sieben Ersteinspielungen ist ihre Bizet-Edition mit vier klangtechnisch über jeden Zweifel erhabenen CDs eine editorische Großtat. Die zum ersten Mal auf historischen Instrumenten eingespielte Opéra-comique Djamileh mit gesprochenen Dialogen wie in der Carmen-Originalfassung strotzt vor farbsatten Orientalismen. Isabelle Druet singt mit noblem Koloraturmezzo die Titelpartie der begehrenswerten Sklavin, begleitet vom erstklassigen Pariser Orchester Les Siècles unter François-Xavier Roths Leitung.
Berühmt ist die Arie La marguerite a fermé sa corolle, ein Boléro aus der symphonischen Ode Vasco de Gama von 1863. Mit der famosen Sopranistin Mélissa Petit in der Hosenpartie eines Seeoffiziers hat das Orchestre National de Metz Grand Est das hochdramatische Werk samt fantastischer Gewittermusik erstmals eingespielt. Theatralische Züge prägen eine a-Moll-Ouvertüre, die Bizet nie hörte, weil er kein Orchester fand. Clovis et Clotilde brachte ihm als obligatorische Kantate 1857 den begehrten Rom-Preis mit mehrjährigem Kompositionsaufenthalt in der Villa Medici ein. In einer hinreißenden Einspielung des Orchesters Le Concert de la Loge mit Julien Chauvin findet sie sich zusammen mit ihrer so gut wie unbekannten Vorübung Le Retour de Virginie.
Bernd Aulich

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