Sergej Rachmaninoff

Symphony No. 1/Symphonic Dances

Sinfonia of London, Ltg. John Wilson

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Chandos
erschienen in: das Orchester 9/2025 , Seite 77

Sergej Rachmaninoff war erst 22 Jahre alt, als er mit der Arbeit an seiner 1. Symphonie in d-Moll begann. Zwei Jahre benötigte er für die Ausarbeitung der Partitur. Gewidmet hat er diese einer gewissen „A. L.“, womit er vermutlich ein Roma-Mädchen mit dem Namen Anna Lodizhenskaja meinte. Hier haben wir es mit dem letzten Werk der jugendlichen Schaffensperiode Rachmaninoffs zu tun. Die Uraufführung am 15. März 1897 geriet zu einem Debakel, weil der Dirigent Alexander Glasunow angeblich betrunken war. Daraufhin verbot Rachmaninoff weitere Aufführungen des Stücks. Erst im Jahr 1945 wurde es erneut einem Konzertpublikum präsentiert, und nun mit großem Erfolg. Weitere Aufführungen folgten.
Das hohe Niveau der anderen Symphonien des Komponisten vermochte dessen Erstling zwar nicht zu erreichen. Dennoch handelt es sich hier um eine durchaus beachtliche Angelegenheit, die anzuhören lohnt. Das Werk steht ganz in der spätromantischen Tradition. Die verschiedenen Themen hat der junge Tonsetzer teilweise der Musik der Sinti und Roma entlehnt. Die beiden Ecksätze sind hervorragend gestaltet, und in den Mittelsätzen wird Rachmaninoffs bereits ausgeprägtes Gespür für Kontrapunktik und Polyfonie offenkundig. Das Eröffnungsthema verwendete der Komponist später im 1. Satz der Symphonischen Tänze, der zweiten auf dieser CD vertretenen Schöpfung Rachmaninoffs, die ganz der klassischen Periode des Komponisten angehört und am 3. Januar 1941 vom Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Eugene Ormandy aus der Taufe gehoben wurde.
Mit dieser beim Label Chandos erschienenen CD haben Dirigent John Wilson und die intensiv und klangschön aufspielende Sinfonia of London ihren Rachmaninoff-Zyklus beendet – und zwar auf hohem Niveau. Wilson nimmt die erste Symphonie als das, was sie ist: als Jugendwerk des Komponisten, das er in flüssigen Tempi, differenziert und nuanciert vor den Ohren des Zuhörers ausbreitet. Bei beiden Stücken dieser CD wartet er mit einer Präzision auf, die ihresgleichen sucht. Er dirigiert wirklich auf den Punkt genau und wartet obendrein mit einer ausgemachten Detailarbeit auf. Einzelheiten werden von ihm akribisch herausgearbeitet und gekonnt in den großen musikalischen Zusammenhang eingebettet. Dabei ist der Klangteppich stets lyrisch gehalten, obwohl hier und da auch großen Orchesterausbrüchen ein nicht zu geringer Raum eingeräumt wird. An der ebenmäßigen Linienführung ist ebenfalls nichts auszusetzen. Insgesamt legt Wilson eine sehr abwechslungsreiche und eindringliche Interpretation der beiden Werke an den Tag.
Ludwig Steinbach

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