Antonín Dvořák
Rusalka op. 114 für Soli, Chor und Orchester
hg. von Robert Simon und Jonáš Hájek Studienpartitur, Urtext
Endlich gibt es eine Studienpartitur von Antonín Dvořáks vorletzter und bekanntester Oper Rusalka nach der neuen kritischen Ausgabe von 2023, die den Notentext dieses Werks auf den heutigen Stand gebracht hat. Der Librettist Jaroslav Kvapil verbrachte 1899 seine Sommerferien auf der dänischen Insel Bornholm und fand dort die Inspiration für ein Opernlibretto auf der Grundlage von Hans Christian Andersens Den lille havfrue („Die kleine Meerjungfrau“, 1837). Dabei berücksichtigte er auch Friedrich de la Motte Fouqués Undine (1811) und Gerhart Hauptmanns Drama Die versunkene Glocke (1896). Kvapil bot seinen Text den Komponisten Josef Bohuslav Foerster, Oskar Nedbal, Karel Kovařovic und Josef Suk an – zumindest Foerster war davon begeistert, aber alle traten zurück, Foerster ausdrücklich zugunsten von Dvořák. Dieser begann im Frühjahr 1900 mit der Arbeit an der Oper und er notierte in der Partitur am Ende von Rusalkas berühmtem Lied an den Mond („Mĕsičku na nebi hlubokém“) das Datum des 6. Juni, den Geburtstag seiner Tochter Ottilie, und außerdem seinen Aufenthaltsort Křečovice, den Geburtsort seines Schwiegersohnes Suk. Die von Kovařovic geleitete Uraufführung am 31. März 1901 in Prag wurde zur Sensation und bald meldete kein Geringerer als Gustav Mahler sein Interesse an, das neue Werk in deutscher Übersetzung an der Wiener Hofoper herauszubringen. Dazu kam es damals nicht und an der Wiener Staatsoper wurde die Rusalka erst 1987 zum ersten Mal gegeben – in jener Zeit, als diese Oper sich allmählich auch international durchsetzte. Heute ist sie die weltweit am häufigsten aufgeführte tschechische Oper.
Erfreulich erscheint insbesondere die ausführliche und aufschlussreiche Einleitung von Robert Simon, wie die ganze Ausgabe in tschechischer, englischer und deutscher Sprache. Die Herausgeber arbeiteten nicht nur mit dem Autograf und der Partiturabschrift, aus der die Premiere und viele nachfolgende Aufführungen dirigiert wurden, sondern erstmals auch mit drei handschriftlichen Klavierauszügen, die in direkter Verbindung zu Dvořák stehen. Neu ist die konsequente Kennzeichnung editorischer Eingriffe (es wurden nur diejenigen Einträge berücksichtigt, die als von Kovařovic vorgenommen identifiziert werden konnten), die Wiederherstellung von einigen ursprünglichen Lesarten Dvořáks im Gesangstext und eine detaillierte Auswertung der von ihm autorisierten Kürzungsvorschläge, die aber den Dirigierenden weiterhin flexible Kürzungsmöglichkeiten gibt.
Diese Studienpartitur ist ein wahrer Leseschmöker, trotz des enormen Gewichts von 1482 Gramm. Das Notenbild unterstreicht die meisterhafte Klarheit jedes einzelnen Zeichens.
Ingo Hoddick


