Deutsche Oper Berlin, Jörg Königsdorf, Ralf Grauel (Hg.)

Wie kommt das Neue in die Welt?

Dreizehn Jahre Intendanz Dietmar Schwarz an der Deutschen Oper Berlin. Gespräche über große Oper, neues Musiktheater und die Kunst des Komponierens

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Schott, Mainz
erschienen in: das Orchester 9/2025 , Seite 72

Zum Erscheinungstermin des Buchs Wie kommt das Neue in die Welt? war der neueste Gegenstand der Texte noch nicht vollendet: Lash, die erste Oper von Rebecca Saunders, gelangte erst am 20. Juni 2025 zur Premiere. Der Band erzählt von der Arbeit von Dietmar Schwarz, Intendant der Deutschen Oper Berlin von 2012 bis 2025, mit dem Schwerpunkt, das Haus an der Bismarckstraße zum Uraufführungstheater zu machen.
Der Band spart alle Erfolge dieser Jahre mit älterem Repertoire aus. Auch davon gab es unter Schwarz einige – von Rued Langgaards Antikrist bis Korngolds Das Wunder der Heliane und den international gerühmten Meyerbeer-Zyklus. Für ihn waren alle Projekte Geistes- und Herzenssache, inklusive der unter seiner Intendanz von Dorothea Hartmann für neues Schaffen eingerichteten Spielstätte Tischlerei.
Das Leitungsteam und Komponierende kommen in Gesprächen, Porträts und Skizzen direkt zu Wort. Die nur zu zwei Dritteln vollendete Oper Dorian von Aribert Reimann ist nur ein Akzent unter vielen, mit denen sich unter Schwarz die pluralistische Progression zu queeren Motiven und Sujets in der Dramaturgie und Programmgestaltung der Deutschen Oper Berlin manifestierte. Chaya Czernowin bat Claus Guth, den Regisseur ihrer Oper Heart Chamber, bei der Entwicklung von Beziehungen auch gleichgeschlechtliche Paare zu zeigen. Zur Uraufführung von Andrea Lorenzo Scartazzinis Edward II. wurde das schwule Sujet hinsichtlich seiner szenischen Realisierung und der Haltung seiner Kreativköpfe intensiv erörtert und kritisiert.
Neben der Liebeserklärung an ein in den künstlerischen und technischen Abteilungen von Neugier und Kooperationsgeist durchdrungenes Musiktheater ist dieser Band auch ein Querblick darauf, welche Musiktheater-Visionen heute bestehen und reelle Chancen auf Erfolg haben: Dazu gehörten an der Deutschen Oper Berlin Oceane von Detlev Glanert auf den üppig ausgesponnenen Text Hans-Ulrich Treichels nach einem Fragment von Theodor Fontane, Giorgio Battistellis Il Teorema de Pasolini als Battistellis zweite Vertonung dieses Sujets, die „zeitgenössischen Opern für junge Erwachsene“ von Gordon Kampe oder Kein Mythos für das Kammeropern-Triptychon „Neue Szenen V“ von Sara Glojnarić. Eine „Brücke, die in der Realität noch entstehen muss“, baute der Iraner Keyvan Chemirani mit der Regisseurin Marie-Ève Signeyrole in Negar.
Trotz der imponierenden Bilanz für diese Uraufführungen bleibt das Bedauern, dass Wiederaufnahmen mit zeitlichem Abstand zu den Premierenserien aufgrund des großen Aufwands nicht möglich waren.
Roland Dippel

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