Krzysztof Meyer & Dimitri Shostakovich

Works for Cello and Piano

Joanna Sachryn (Cello), Paul Rivinius (Piano)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Kaleidos
erschienen in: das Orchester 7-8/2023 , Seite 73

„In angustiis“ – in Bedrängnis: Joseph Haydns Charakterisierung der Entstehungsumstände seiner 1798 (in napoleonischer Bedrängnis) komponierten Nelson-Messe ließe sich ohne Weiteres auf die Hauptwerke der vorliegenden CD-Neuveröffentlichung übertragen. Sowohl die 1934 entstandene Cellosonate des Russen Dmitrij Schostakowitsch als auch die Cellosonate des Polen Krzysztof Meyer aus dem Jahr 1983 entstammen Zeiten, in denen Musiker:innen dieser Länder, die sich nicht der sowjetischen Linie unterwarfen, in Gefahr lebten. Gewiss herrschten im Polen der 80er Jahre ungleich größere Freiheiten als in den Jahren des stalinistischen Terrors. Gleichwohl wird auch der heute 80-jährige Meyer zur Kompositionszeit seiner Cellosonate ähnliche Regungen verspürt – und in seine Musik hineinkomponiert – haben wie ein halbes Jahrhundert zuvor Schostakowitsch.
Die als Solistin und Kammermusikerin international renommierte polnische Cellistin Joanna Sachryn spricht als Zeitzeugin, wenn sie in ihren Booklet-Anmerkungen diese Gemütszustände als „innere Unruhe, stilles Nachfragen“ beschreibt. Über die musikalischen und technischen Herausforderungen der Werke hinaus bestand für die Interpretin eine starke Affinität zur Atmosphäre ihrer Entstehung. Die Intensität von Sachryns Spiel, ihre blühende und dann wieder herbe Tongebung, das Spektrum ihrer Ausdrucksmöglichkeiten von ruppiger Attacke bis zum verlöschenden Pianissimo, von großem Aplomb bis zu lyrischer Intimität – Qualitäten, die die Cellistin im Sinne Schostakowitschs und Meyers beeindruckend ins Werk setzt.
Am hohen Niveau hat Klavierpartner Paul Rivinius freilich ebenso großen Anteil: Neben wuchtig-gemeißelten Akkorden vernehmen wir filigrane, fein abgestufte Klavierkunst. Unterstützt durch exzellente Aufnahmetechnik gelingt den Interpret:innen ein stets transparentes Klangbild – keine Selbstverständlichkeit im Zusammenhang mit den heterogenen Partnern Cello und Klavier. Überraschend lyrisch begegnet uns die Schostakowitsch-Sonate. Dem Furor von Rostropowitsch & Co setzen Sachryn und Rivinius eine Darstellung entgegen, die die romantischen Wurzeln des Komponisten offenlegt. Das groteske Scherzo gerät dadurch fast irritierend ruhig.
Ergänzt werden die Sonaten durch Meyers Three times four, eine farbig-vielgestaltige, in gelöstem Ton gehaltene Formstudie. Verzichtbar hingegen erscheinen die – wiewohl klangschön gespielten – sechs Miniaturen, die Jusas Tschelkauskas aus verschiedenen Gelegenheitswerken Schostakowitschs für Cello und Klavier adaptiert hat. Im Umfeld der gewichtigen Hauptwerke muten sie recht belanglos an.
Trotz dieser Einschränkung: eine überzeugende CD!
Gerhard Anders

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support