Johannes Brahms
Complete Liebeslieder-Walzer op. 52 & 65 / Hungarian Dances
Angela Gassenhuber, Philip Mayers (Klavier), RIAS Kammerchor Berlin, Ltg. Justin Doyle
Brahms’ Liebeslieder-Walzer mit Klavierbegleitung zu vier Händen gehören gewiss zu den bekanntesten und populärsten Werken des Komponisten. So zählen die Vokalsätze, vornehmlich die der ersten Sammlung op. 52, auch zum beliebten Repertoire von talentierten Laienchören. Da ist es besonders reizvoll nachzuvollziehen, wie ein professionelles Vokalensemble wie der RIAS Kammerchor Berlin an diese Vokalsätze herangeht.
Justin Doyle hat die beiden Sammlungen nun in einer Neuaufnahme vorgelegt, ergänzt um fünf von Brahms’ Ungarischen Tänzen. 18 Stücke umfasst die erste Sammlung der Liebeslieder-Walzer aus dem Jahr 1869, denen – wie auch den 15 Sätzen der zweiten Sammlung op. 65 aus dem Jahr 1874 (mit einer Ausnahme) – Gedichte von Georg Friedrich Daumer zugrunde liegen. Auch wenn die Abfolge von Daumers Gedichten keine originäre und klare Gesamtanlage aufzeigt, lässt sich doch eine gewisse Dramaturgie erkennen, die Doyle aufgrund seiner feinen Ausdruckszeichnung und Charakterisierung der einzelnen Sätze auf eindrückliche Weise unter einen packenden Spannungsbogen zu ordnen versteht.
Die Phrasenformulierung des sich als stimmlich ausgeglichen und homogen erweisenden Kammerensembles ist ausgesprochen geschmeidig, der Ausdruck fein differenziert. So besticht etwa das runde Zusammenwirken von Frauenchor und Klavierbegleitung im achten Satz aus op. 52 („Wohl schön bewandt“), wie auch das viel Atmosphäre schaffende Moment im zehnten Satz dieser Sammlung („Am Donaustrande“). Überdies überzeugen Vitalität, Energie und Elan, mit denen Doyle Text und musikalische Umsetzung der eher vorwärts drängenden Sätze plastisch herauszuarbeiten vermag. Dabei enthalten er und sein Ensemble sich aber gleichwohl jeder Überzeichnung.
In der sechs Jahre nach dem Opus 52 herausgegebenen Sammlung Neuer Liebeslieder-Walzer op. 65 geht Brahms kompositorisch ein wenig anders vor als zuvor. Gegenüber den meist vierstimmigen Vokalsätzen der ersten Sammlung gewinnt nun auch der klavierbegleitete Sologesang an Bedeutung. In den sieben Sololiedern dieser Gattung bringen sich die Solistinnen und Solisten des RIAS Kammerchors sehr überzeugend ein. Besonders gefällt dabei die subtile Herangehensweise von Viktoria Wilson (Sopran) im sechsten Stück aus op. 65 („Rosen steckt mir an die Mutter“).
Das Klavierduo Angela Gassenhuber und Philip Mayers begleitet und unterstützt den Chor in den Liebeslieder-Walzern schlechthin kongenial; in Brahms’ fünf eingeschobenen Ungarischen Tänzen können beide am Flügel ihr Vermögen an Artikulationsschärfe, lebendiger Agogik, plastischer Konturierung, spannungsreicher Ausformulierung der musikalischen Charaktere und Transparenz der Struktur unter Beweis stellen.
Thomas Bopp