Florence Beatrice Price

Songs of the Oak

Concert Overtures Nos. 1 and 2, The Oak, Colonial Dance, Suite of Dances. Württembergische Philharmonie Reutlingen, Ltg. John Jeter

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Naxos
erschienen in: das Orchester 7-8/2023 , Seite 68

Florence Beatrice Price (1887-1953), gestorben vor 70 Jahren, war die erste einigermaßen erfolgreiche afroamerikanische Komponistin. Geboren in Little Rock im US-Bundesstaat Arkansas, studierte sie am New England Conservatory in Boston. 1927 musste sie mit ihrer Familie vor rassistischer Verfolgung aus dem Süden nach Chicago fliehen. In ihren Kompositionen verwendete Price Spirituals – also geistliche Gesänge der (ehemaligen) Sklaven – und den gleichfalls afroamerikanischen Juba-Tanz als folkloristische Grundlage ihrer Kunstmusik. Soweit bekannt, wurden von ihren insgesamt 15 Orchesterwerken zu ihren Lebzeiten nur fünf aufgeführt und das in der Regel nur ein einziges Mal. Nach ihrem Tod galten viele ihrer Partituren als verschollen, bis sie 2009 in ihrem ehemaligen Sommerhaus in der Nähe von Chicago wiederentdeckt wurden.
Diese CD enthält sechs Orchesterwerke, von denen keines deutlich länger als 16 Minuten dauert. Vier davon wurden hier zum ersten Mal aufgenommen. Die größte Entdeckung dabei ist die zweite Konzertouvertüre über die drei auch hierzulande bekannten Spirituals Go Down, Moses, Nobody Knows the Trouble I’ve Seen und Ev’ry Time I Feel the Spirit. Florence Price lässt darin zunächst drei musikalische Miniszenen rasch aufeinander folgen. Stimmungsmäßig steigern sie sich schrittweise von der Trauer zum Optimismus. Die abstraktere zweite Hälfte des Werks verbindet dann melodische Fragmente der drei Themen zu einem Ganzen, bevor der Schluss zu Moses’ Schrei nach Befreiung zurückkehrt. Es folgt das titelgebende und hier gleichfalls erstmals eingespielte Stück Songs of the Oak („Gesänge der Eiche“) – ein fast hollywoodartiges, aber wirklich stimmungs- und farbenreiches Waldbild mit allegorischem Tiefgang (z. B. stehen Glockenklänge für das Vergehen der Zeit). Direkt danach kommt The Oak („Die Eiche“) – ganz ähnlich, nur kompakter und tragischer. Die drei genannten Kompositionen entstanden alle 1943, also vor 80 Jahren. Erwähnt werden muss zumindest noch die abschließende, dreisätzige und doch kaum vierminütige Suite of Dances („Tanz-Suite“). Dies ist das wahrscheinlich populärste Werk von Florence Price, erklingt hier aber gleichwohl erstmals auf Tonträger.
Der Price-Experte John Jeter sorgt als Gastdirigent dafür, dass die Württembergische Philharmonie Reutlingen diese Werke klangschön, diskret flexibel und fast immer präzise herüberbringt. Der schlackenlose, „französische“ Ton dieses Orchesters erweist sich wieder einmal als ideal für amerikanische Musik. Das Ganze wirft ein erfreuliches Licht auf diesen zuvor fast vergessenen Aspekt der Musikgeschichte der USA.
Ingo Hoddick

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