Bumcke, Gustav

Ersteinspielungen für Saxophon und Klavier

für Saxophon und Klavier, Hannah Stoll (Saxophon), Nadezda Pisareva (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Rime Records RR95008
erschienen in: das Orchester 04/2016 , Seite 76

Man nennt ihn einen Pionier der Saxofonmusik in Deutschland: Gustav Bumcke (1876-1963). Als Komponist war er Schüler von Max Bruch und Engelbert Humperdinck, was als Einfluss der Romantik bis in die Duo-Stücke dieser CD von Hannah Stoll und Nadezda Pisareva – etwa die Romanzen op. 44 und den Intermezzi op. 55 – spürbar bleibt.
Am Anfang des Jahrhunderts war Bumcke einige Zeit Kapellmeister an Theatern in mehreren Städten Deutschlands. Von Haus aus eigentlich Trompeter, lernte er 1902 bei einer Paris-Reise den Sohn des Saxofon-Erfinders Adolphe Sax kennen, der ihm ganz offensichtlich die Ohren für eine neue Welt des Klangs öffnete. Begeistert von dem Instrument, nahm er acht Exemplare in den verschiedenen Größen und Stimmungen mit nach Berlin und widmete seine Arbeit fortan dem Saxofon. Zwar hatte Richard Strauss bei seiner Bearbeitung der Instrumentationslehre Hector Berlioz’ auch dessen Lob des Saxofons übernommen und gleich mehrere davon 1904 in seiner Sinfonia domestica eingesetzt, doch ansonsten war es weithin verpönt.
Bumcke lernte und unterrichtete aber nicht nur das Saxofonspiel, er gründete später in Berlin am Stern’schen Konservatorium, wo er ab 1903 lehrte, eine Saxofonklasse und sogar ein eigenes Saxofonorchester. Und er schrieb gefällige Melodien wie diejenige des auf dieser neuen CD enthaltenen Walzers op. 48 und die kaum exotisch angehauchte Fantasie über ein Inka-Lied op. 6, beide in brillanten Wiedergaben der aus Deutschland und aus Russland stammenden Musikerinnen zu hören.
Bei der Popularisierung des Saxofons, das lange mit der „Negermusik“ Jazz in Verbindung gebracht wurde, half Bumcke auch seine 1913 geborene Tochter Hilde. Als „blonde junge Meisterin des Saxofons“ fand sie viel Beifall und wurde geradezu berühmt. Ab 1933 trat sie – soviel Anpassung wurde eben doch in Kauf genommen – unter dem „nordisch“ klingenden Künstlernamen Ingrid Larssen auf. Auf einem ihrer Programme von 1937 ist auch die melodisch weit geschwungene Elegie op. 60 ihres Vaters aufgeführt.
Stoll und Pisareva bieten das Stück lyrisch, doch ohne Süßlichkeit und Sentimentalität. Die in Moskau und Berlin ausgebildete junge Pianistin erweist sich nicht nur als sichere Begleiterin, sondern überzeugt auch in den solistischen Momenten mit eleganter Phrasierung. Die Saxofonistin vermeidet an dem für diese Musik am besten geeigneten Es-Alt-Instrument jede Süßlichkeit und demonstriert etwa bei dem lebhaften, zackig rhythmischen Scherzo F-Dur op. 67 Virtuosität.
Ein Höhepunkt und das längste Stück der CD sind die Variationen op. 56, die den Donauwalzer von Johann Strauß (Sohn) zum Thema haben. Bevor sich der Kreis der Variationen mit einer technisch anspruchsvollen Stretta schließt, wird die „schöne blaue Donau“ vermittels Tango- und Foxtrott-Rhythmen mit argentinischen und britischen Fähnchen verziert. Gustav Bumcke war eben wohl doch ein international denkender Musiker.
Günter Buhles

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