Popp, Susanne

Berufung und Verzicht

Fritz Busch und Richard Wagner

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Dohr, Köln 2013
erschienen in: das Orchester 01/2014 , Seite 70

Zu Fritz Busch (1890-1951) fallen einem Opernfreund normalerweise dessen große Wirkungsstätten wie Dresden, Buenos Aires, Glyndebourne und New York ein, vielleicht auch noch die eine oder andere Uraufführung. Dass er nicht nur ein großer Mozart-, Verdi- und Strauss-Interpret, sondern auch ein bedeutender Wagner-Dirigent war, ist dagegen zumindest hierzulande nicht so geläufig. Das hat mehrere Gründe – und in ers-
ter Linie den, dass Busch und sein als Geigenvirtuose bekannt gewordener Bruder Adolf zu den leider nur wenigen deutschen Musikern gehörten, die sich nicht der nationalsozialistischen Rassenpolitik beugten und deshalb früh ins Exil gehen mussten.
Susanne Popp, die Leiterin des Max-Reger-Instituts Karlsruhe, in dem sich u.a. auch das Archiv der Brüder-Busch-Gesellschaft befindet, hat sich zum Wagner-Jahr intensiv mit Fritz Busch als Wagner-Dirigent beschäftigt. Im vorliegenden Band dokumentiert sie zunehmend eindrucksvoll, dass und wie sich der gebürtige Siegener zeitlebens erst in seiner Heimat, dann im Ausland den Werken Wagners gewidmet und sich mit Nachdruck für sie eingesetzt hat. Während Busch in seiner 1948 erschienenen Autobiografie Aus dem Leben eines Musikers sein ideologisch befrachtetes Bayreuth-Debüt 1924 eher ins Anekdotische ummünzt, weist die Autorin anhand von vielen Zeitzeugnissen nach, dass es nicht nur an der unbefriedigenden Solistenbesetzung lag, warum er sich 1925 und 1933 schweren Herzens Absagen an seinem Sehnsuchtsort abrang.
Der nach Stationen in Aachen und Stuttgart als Generalmusikdirektor der Dresdener Semperoper arrivierte Busch war im Vorfeld der Meistersinger-Aufführung bei den ersten Nachkriegsfestspielen 1924 noch so „glücklich, einer Sache einmal ungeteilt dienen zu können“, dass er in seinen Briefen und Erinnerungen nicht auf die unheilverkündenden Begleiterscheinungen einging. Der revanchistische General und Hitler-Freund Erich Ludendorff war bei den Generalproben Ehrengast der Festspielleitung, auf dem Festspielhaus wehte die alte Reichsfahne, und bei der Premiere stand das überwiegend völkisch orientierte Publikum nach Hans Sachsens Schlussansprache auf und sang das Deutschlandlied.
Anhand vieler Zitate wird deutlich, mit was für üblen Antisemiten, Rassisten und Nazis Fritz Busch es nicht nur in Bayreuth, sondern auch in Dresden zu tun hatte. Wenn man die Details seiner Festspielengagements und -absagen sowie seiner Vertreibung aus der Semperoper erfährt, kann man nicht umhin, ihn für seine Geradlinigkeit noch mehr zu bewundern. „Eine Arbeit“, schrieb er später, „die im Geringsten eine Unterstützung der totalitären Barbarei bedeutete, kam nicht in Frage.“ Ihm wurde klar, dass seine „vermeintlich geschändete Ehre nichts bedeutet gegen die ‚wahre Schande‘, dem Bösen zu dienen“. Das akribisch recherchierte, nur in ein paar Bildlegenden ungenaue Buch ersetzt mit seinem starken Wagner-Fokus zwar keine Busch-Biografie, macht aber immer wieder deutlich, dass die umfassende Aufarbeitung der braunen Vergangenheit am Grünen Hügel und der Jahre bis zur Wiedereröffnung 1951 noch lange nicht abgeschlossen ist.
Monika Beer

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support