Beethoven, Ludwig van / Violeta Dinescu / Johannes Brahms / Gilad Hochmann

Unfinish Fini

Klarinettentrios

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Classics Clips CLCL 120
erschienen in: das Orchester 12/2013 , Seite 79

Sie sind schon alle über dreißig und insofern keine begabten Wunderkinder mehr. Das Boviartrio wurde bereits 1997 gegründet, gewann im Jahr 2002 ein Stipendium beim Deutschen Musikwettbewerb und gastiert seitdem bei vielen Festspielen im In- und Ausland. Alle drei Musiker haben zuvor zahlreiche Preise gewonnen – wie man das bei jeder guten Musikerkar­riere so voraussetzt. Der Name des Trios ergibt sich aus den jeweils ersten beiden Anfangsbuchstaben der Nachnamen: Daniel Bolinger (Klarinette), Gerhard Vielhaber (Klavier) und Julian Arp (Violoncello). In unmittelbarer Verbindung mit dem Wort Trio kommt da „Art“ ins Spiel, und in der Tat steht die „Kunst“ bei diesen drei Musikern auf einer ganz hohen Stufe.
Auf ihrer CD findet man zwei Klassiker und zwei Zeitgenossen in trauter Einheit. Bei den beiden modernen Stücken handelt es sich sogar um Erst­einspielungen, weshalb sie auch im Booklet ausführlich besprochen sind, während man über Beethovens Klarinettentrio B-Dur op. 11 von 1797 und das knapp 100 Jahre später erschienene a-Moll-Trio op. 114 von Brahms hier nichts erfährt. Natürlich kann man davon ausgehen, dass diese Werke hinlänglich bekannt sind, besonders in Klarinettisten-Kreisen.
Die drei Musiker machen den Beethoven nicht einfach zu einem Stück heiterer Geselligkeit, sondern heben es in die Sphäre ernsthafter Kammermusik. Ein Scherzo fehlt hier vielleicht bewusst. Die Variationen gehen frei mit dem Thema um, das sich Beethoven von Joseph Weigels Oper Der Cor­sar ausgeliehen hat. Auch das Trio behandelt diese Allegretto-Teile mit viel spritziger Farbigkeit wirkungsvoller Kantabilität. Bei dem Brahms-Trio steigen die drei in romantische Tiefen und versuchen erfolgreich, die versteckte Moll-Heiterkeit des Komponisten zu finden. Die Redekraft der vier Sätze wird mit deutender Intensität ausgestaltet, man ist von der Richtigkeit dieser Interpretation restlos überzeugt.
Interessant sind aber vor allem die beiden neuen Stücke. Der Titel des einen, Shedun Fini, ist eine Umdrehung der Buchstaben des englischen Titels „Unfinished“ für Schuberts „Unvollendete“. In der Tat hat der Israeli Gilad Hochmann (geb. 1982) dieses Werk als Inspirationsquelle benutzt, und es werden durchaus lyrische Momente daraus gesendet. Die Satzbezeichnung „Vivace energico“ zeigt jedoch, dass der Komponist mit jugendlicher Kraft ans Werk geht. Man hört intensive Aktionen, die von den drei Instrumentalisten ganzen Einsatz fordern. Die Verbindung der drei Klangfarben ist gelungen, es gibt da und dort auch melodische Fragmente. Im Vordergrund stehen jedoch markante Akzente auf der Grundlage eines durchgehenden Aktionismus.
Das Werk der etwa dreißig Jahre älteren Rumänin Violeta Dinescu Et pourtant c’est mieux qu’en hiver ist dagegen deutlich moderner. Dinescu schrieb das Werk in Erinnerung an die 1997 verstorbene rumänische Pianistin, Komponistin und Musikwissenschaftlerin Myriam Marbe. Die Beschreibung ihrer beklagenswerten Lebensumstände fließt ein in eine Fahlheit und Verlorenheit der Töne. Die drei Instrumente stehen hier allein da, jedes für sich. Hier wird ein von Emotionen geschütteltes Inneres nach außen gekehrt: unerbittlich und seltsam.
Wolfgang Teubner

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