Henrichs, Patrick

Die Barocktrompetenschule

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Flügelpferd, Rammingen 2013
erschienen in: das Orchester 12/2013 , Seite 72

Seit Edward Tarr in den 1970ern die Naturtrompete aus den Geschichtsbüchern in die Gegenwart holte, hat sich eine ganz eigene diesem Instrument gewidmete Linie entwickelt. Dies ist nicht nur Tarr selbst zu verdanken, sondern auch einigen jüngeren Trompetern, die sich ganz der Barocktrompete verschrieben haben. Die vorliegende Neuerscheinung ergänzt das Spektrum an Veröffentlichungen um den pädagogischen Aspekt.
Um es kurz zu machen: Diese Barocktrompetenschule hat Hand und Fuß und ist jedem zu empfehlen, der Ambitionen in dieser Richtung hegt. Sie besticht durch klare Struktur und glänzende Übersichtlichkeit, was auch einem sehr durchdachten Layout geschuldet ist. So sind z.B. besonders wichtige Grundsätze durch rote Schrift hervorgehoben.
Das erste Kapitel befasst sich mit der grundlegenden Technik des Blasens und den Unterschieden zwischen moderner und Barocktrompete. Sehr detailliert beschriebene Übungen werden von leicht verständlichen Grafiken unterstützt. Um zu vermeiden, dass der Leser sich im Detail verliert, wird immer wieder auf die grundlegenden Wirkungsprinzipien hingewiesen.
Es folgen Übungen, mit denen die vorgestellten Methoden vertieft werden können. Hier finden sich viele Tricks wie z.B. der „stumme Auftakt“, durch den ein Kieksen auf dem ersten Ton vermieden werden kann: Luft und Lippen werden deutlich weniger durch die Angst vor dem ersten Ton beeinträchtigt, weil dieser in Gedanken ja schon gespielt ist. Dem Instrument entsprechend werden Naturtonbindungen in aller Ausführlichkeit von allen Seiten beleuchtet und erklärt. Die Übungen hierzu sind sichtlich von Louis Maggio und James Stamp inspiriert.
Einziger kleiner Kritikpunkt: Die Höhenkontrolle wird im Wesentlichen der Zunge zugeschrieben, eine Zuschreibung, die jedoch unvollständig ist, da die Zunge genau genommen die Höhenveränderungen zu verantworten hat, die in dem durch die Luftkompression voreingestellten Höhenbereich zugänglich sind. Es ist also immer ein Zusammenspiel von Luftkompression in der Lunge und Düseneffekt durch die Zunge. Allerdings ist es durchaus verständlich, aus didaktischen Erwägungen diesen Zusammenhang als quasi durch das erste Kapitel erklärt und verstanden vorauszusetzen. Wer sich mit der Barocktrompete auseinandersetzt, dem werden diese Zusammenhänge sehr wahrscheinlich klar sein. Dieses Instrument ist nichts für Anfänger.
Das letzte Kapitel widmet sich der musikalischen Stilistik. Die Übungen befassen sich mit den speziellen barocktypischen Eigenheiten der musikalischen Interpretation. Triller und Verzierungen werden in allen nur denkbaren Variationen erörtert, und es gibt Intonationsübungen für das Phänomen der Differenztöne. Auf diese Weise lernt man gleich etwas über den Unterschied zwischen temperierter und reiner Stimmung. Da für diese Übungen mehrere Teilnehmer erforderlich sind, regen sie gleichzeitig das Miteinander an – worum es letztendlich in der Musik ja auch geht.
Mathias Engl

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