Le Phénix

Solo Double Bass in Baroque and Contemporary Music

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Neos 21301
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 84

Phönix, der altehrwürdige Vogel der griechischen Antike, er wird hier als Titelheld bemüht für Alte Musik, bearbeitet für Kontrabass, in neuem und zugleich altem Lichte erscheinend, in Erinnerung an die große Zeit der Viola da Gamba. Doch halt. Denn, ist man ehrlich, möchte man tatsächlich den Klang der Gambe wiederbeleben, ihren Klang voller Vitalität, pendelnd zwischen purer Energie und zerbrechlicher Zartheit, würde man dann einen Bogenstrich wählen wie Christine Hook? Keine Frage, Hook ist nicht nur qua ihrer „formalen Qualifikation“ eine kompetente Bassistin und Musikerin. Andere Veröffentlichungen legen hiervon Zeugnis ab. Doch Spezialistin für Alte Musik ist sie nicht, das ist bei aller Schönheit im Spiel und hörbarem Gestaltungswillen zu merken. Der Schritt hin zu dem, was die Musik Bachs, Händels und Vivaldis zum Strahlen bringt, genau das fehlt: die sich über weite Strecken spannenden Klangbögen, ihre Leichtigkeit wie Länge entstehend aus den jeweiligen Bogenimpulsen zu Beginn. Oder aber die Vitalität der Musik Vivaldis, die nicht zu erreichen ist, wenn der Bogen die Saite nicht verlassen kann, wenn gar Scheu vor
Bogen- oder Saitengeräuschen entsteht. Doch diese waren durchaus einkalkuliert als potenzielle Zutat, als Ausdruck expressiven Überschwangs. Dynamische und klangfarbliche Feinheiten wünscht man sich in der Interpretation der vorliegenden Barockmusik durchaus auch deutlich mehr. Im Fazit also keine Referenzaufnahme der eingespielten Barockwerke, aber für Bassisten sicher interessant.
Zeitgenössische Musik, so lautet die zweite Hälfte des Untertitels der CD. Als zeitgenössische Musik programmierte die Bassistin allerdings Bearbeitungen von Philip Glass und Arvo Pärt. Glass und Pärt, zweimal ein Affront gegen lebende Zeitgenossen, gegen Komponisten, die sich in ihren Werken tagtäglich mit der Frage auseinandersetzen, wie Musik im 21. Jahrhundert neu und im Kunstsinne zu denken und zu schaffen sei. Es sei jeder Musikerin unbenommen, Musik einzuspielen, die zwischen elegischer Filmmusik und neoexpressivem Schönklang pendelt. So wie es jedem Hörer freisteht, diese Musik zu hören. Doch sollte man dann bitte ehrlich sein und von Titeln absehen, die suggerieren, diese Musik sei die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts oder aber die unterschwellig vermittelt, dass „zeitgenössische Musik ja gar nicht anstrengend sein muss, sondern auch schön sein kann“. Man muss nicht selbst Komponist sein, auch als Hörerin fühle ich mich hier hinters Licht geführt, gibt es doch selbst für Kontrabass inzwischen ein fantastisches und auch stilistisch äußerst vielfältiges Repertoire zeitgenössischer Musik, entstanden seit ca. 1950 bis heute.
Davon abgesehen wirft das Vorhaben Christine Hooks, elegische, „entspannende“ Musik von Glass und Pärt zu kombinieren mit Barockmusik letztlich auch ein seltsames Licht auf die Musik der Vergangenheit. Geht es nur um Schönklang? Allein um Entspannung und Genuss durch leichte Konsumation? Darf nicht auch Musik der Vergangenheit irritieren, verstören, aufwühlen? Denn hierin unterscheidet sich die Kunst vergangener Jahrhunderte nicht von derjenigen der Jetztzeit. Nur ist uns das Alte ein wenig vertrauter – bislang zumindest.
Nina Polaschegg

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