Uecker, Gerd
Traumberuf Opernsänger
Von der Ausbildung zum Engagement
Den Titel des Buchs liest man automatisch mit Fragezeichen. Sind Leben und Wirken eines Sängers, speziell des Opernsängers, wirklich ein Traumberuf, eine Folge glamouröser Auftritte ohne Anstrengung, ohne Gefährdung? Die heutige Vermarktungsindustrie suggeriert dies gerne, setzt bei ihren Stars auf Showwerte, hinter denen künstlerische Kriterien leicht unkenntlich werden. Und einem großen Fonobetrieb genügte es irgendwann nicht mehr, das schicke Sängerehepaar Anna Netrebko/Erwin Schrott alleine abzulichten, es wurde auch noch der äußerlich nicht minder attraktive Jonas Kaufmann in diesen Hochglanzbereich einmontiert. Keine Frage: Es handelt sich bei den Genannten um exzellente Künstler, aber in der Präsentation dominiert die Optik. Man weiß ja, ein großer Teil des Publikums lässt sich von Außenreizen bis hin zur Hysterie blenden. Im Buch von Gerd Uecker fällt der Name Netrebko ein einziges Mal Pars pro Toto, an anderer Stelle wird Maria Callas als Synonym für gesangliche Perfektion und gestalterische Intensität erwähnt. Ansonsten gibt es keine Personalhinweise. Der Autor zielt auf Allgemeinanspruch, informiert sachlich, dabei ohne akademische Trockenheit, fast wie in einem vertrauten Gespräch.
Uecker ist ein Mann der Praxis. Er lernte Klavier, Musikpädagogik und Dirigieren. Seine Laufbahn begann er als Solorepetitor (diesem Berufszweig gelten in seinem Buch so manche Hinweise), stieg in Passau zum Operndirektor auf und wechselte dann in gleicher Position an das Münchner Nationaltheater. Später wurde er Intendant der Dresdner Semperoper. In all den Jahren ging er überdies einer umfänglichen Lehrtätigkeit nach.
Nicht zuletzt das selbst erprobte von der Pike auf ist es, was Uecker angehenden Sängern als Ratschlag, mehr noch: als eine Conditio sine qua non auf den Weg geben möchte. Dass er dabei weit ausholt, selbst geläufige Begriffe wie Musikalität erörtert oder Stimmgattungen penibel auflistet, mag im Detail etwas schulmeisterlich wirken. Doch auf diese Weise summiert sich das Buch zu einem verlässlichen Kompendium, welches in seiner Übersichtlichkeit kein Register nötig hat. Alle Berufsfragen von Belang werden abgedeckt, bekannte und unbekanntere Probleme angesprochen und selbst vermeintliche Nebensächlichkeiten wie die angemessene Kleidung beim Vorsingen nicht ausgespart.
Uecker lässt ahnen, dass Singen ein traumhafter Beruf sein kann. Doch vor den Erfolg haben die Götter nun einmal den Schweiß gesetzt. Der Arbeitsalltag (Überschrift eines umfänglichen Kapitels) ist also
keine kontinuierliche Ereigniskette künstlerischer Ekstasen, sondern eine (Lern)Reise ohne Ende. Gewarnt wird vor romantisierend irrealen Vorstellungen ebenso wie auch vor falscher Zurückhaltung. Vor allem jedoch: Ein Opernsänger muss brennen für seine Kunst, ihr seine ganze Arbeitskraft widmen und bereit sein, Privates hintanzustellen. Ein steiniger, aber auch herrlicher Weg.
Christoph Zimmermann


