Flötenmusik von Komponistinnen
Lange schien es selbstverständlich, dass Frauen nicht komponieren können, von schöpferischer Genialität ganz zu schweigen. Mittlerweile werden sie zwar nicht mehr ignoriert, aber ihren Werken Gleichberechtigung möglichst ohne Quote zu verschaffen, das wird noch eine Weile dauern. Sehr willkommen deshalb die Einspielung des 2008 von Elisabeth Weinzierl und Barbara Heller herausgegebenen Hefts Flötenmusik von Komponistinnen, das folgende Stücke enthält: Anna Amalia von Preußen: Sonate F-Dur, Anna Bon di Venezia: Sonate G-Dur op. 1/6, Leopoldine Blahetka: Variationen op. 39, Cécile Chaminade: Sérénade aux Étoiles op. 142, Mélanie Bonis: Pièce op. 189, Germaine Tailleferre: Forlane, Lili Boulanger: Nocturne, Barbara Heller: Parlando, Gloria Coates: Phantom, Dorothee Eberhardt: Träume, Caroline Ansink: Epitaph für Marius, Annette Schlünz: tastend, tränend und Christine K. Brückner: Tsetono.
Die Zusammenstellung verlangt interpretatorische Flexibilität, gilt es doch zwei nachbarocke Sonaten, eine romantische Variationenfolge und eine Anzahl Charakterstücke aus dem Zeitraum Spätromantik bis Moderne vorbildhaft zu realisieren. Weinzierl und Schieferstein sind ein gut eingespieltes Team, die Pianistin agiert lebendig, gibt Impulse, das mehr auf Klang als auf differenzierte Artikulation und Dynamik setzende Spiel der Flötistin führt jedoch gelegentlich zur Dominanz ihres Instruments. Den beiden für Kenner und Liebhaber komponierten Sonaten wird dadurch etwas von ihrer eigenwilligen Ausdruckskraft genommen, zumal auch das Violoncello nicht wesentlich initiativ ist.
Zum Glück kommen die originellen und abwechslungsreichen Variationen von Blahetka in der Flöte ohne jenes Passagenwerk aus, das Variationen oft ungenießbar macht, und obwohl die Komponistin als Pianistin konzertierte, ist auch der Klavierpart angenehm schlicht gehalten. Ihnen und der ausdrucksstarken Pièce von Bonis ist zu wünschen, dass sie bald repertoirefähig werden, bei den Stücken von Boulanger, Chaminade und Tailleferre ist das bereits der Fall.
Am wichtigsten scheint mir die vermittelnde Funktion dieser Einspielung zu sein, für Unterricht oder Konzertvorbereitung bietet sie eine lebendige Vorstellung davon, wie das klingen soll. So ermutigt Hellers Parlando, in ruhiger Interaktion verlaufend, ohne Weiteres zum Nachspielen. Eberhardts Träume verbinden mit feinem Humor durch verschiedene Stilebenen repräsentierte Traumepisoden nahtlos miteinander. Brückners Tsetono, eine zarte Musik, durch die verschieden akzentuierte durchlaufende Sechzehntelstruktur minimal music ähnlich, verliert leider etwas an Wirkung, weil unter dem vorgegebenen Tempo gespielt. Ausdrucksvoll und eindrücklich Epitaph für Marius von Ansink, man merkt, dass die Komponistin selbst Flötistin ist. Phantom von Coates ist streng, aber sinnfällig konstruiert, anspruchsvoll in den verwendeten Mehrklängen. Eindrucksvollstes Hörerlebnis der CD dann tastend, tränend von Schlünz, fantasievoll, lebendig, mit ganz entzückenden Klangwirkungen im Klavier. Moderne Musik als ähnlich randständiger Bereich wie komponierende Frauen das muss wirklich nicht so bleiben.
Ursula Peek