Ellmeier, Andrea / Doris Ingrisch / Claudia Walkensteiner-Preschl (Hg.)
Gender Performances
Wissen und Geschlecht in Musik Theater Film
Heterogenere Beiträge sind selten in einem Aufsatzband versammelt worden. Der thematische Rahmen spannt sich über Musik, Theater und Tanz bis zum Film; und der Versuch, mit dem Titel Gender Performances eine theoretische Klammer zu schaffen, scheitert an der Tatsache, dass nicht alle Autoren und Autorinnen willens oder imstande waren, sich dem in der Einführung formulierten, auf Judith Butler basierenden Theorie-Rahmen einzupassen.
Dennoch findet sich in diesem Band, der eine Vortragsreihe an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien dokumentiert, für Musikinteressierte durchaus Lesenswertes: Annegret Huber unterzieht die Selbstverständlichkeiten in Praxis und Theorie der musikalischen Analyse einer klugen und differenzierten Kritik, garniert mit amüsanten Beispielen für analytische Fehlurteile und Eingriffe von Editoren, die meinen, die Komponistinnen gegen vermeintliche Kompositionsfehler verteidigen zu müssen. Florian Heesch steuert einen Beitrag zum noch jungen Feld der Männerforschung bei, indem er Männlichkeit und Krieg im Heavy Metal untersucht.
Ein dritter Beitrag betrifft die alternativen Musikszenen im slowenischen Demokratisierungsprozess der 1980er Jahre. Alenka Barber-Kersovan fasst hier einige Aspekte ihres Buchs Vom Punkfrühling zum slowenischen Frühling (2005) zusammen und zeigt auf, wie auch auf dem Balkan die Rockmusik zum Medium der Politik wurde und die vom Punk ausgehende Huldigung des Anders-Seins auch die Tätigkeit anderer oppositioneller Gruppierungen, etwa der Frauen- und Homosexuellenbewegung, begünstigte.
Und schließlich ist es sehr vergnüglich, der Musikethnologin Gerlinde Haid in das Ausseerland zu folgen und sich über Lebens- und Arbeitsformen sowie die Musikpraxis im Dorf und auf der Alm berichten zu lassen. Lieder, Texte, Spiele, Tänze und Kleider bleiben im Spannungsverhältnis von Tradition und Tourismus lebendig, markieren durchaus die Geschlechterpolaritäten, bieten aber auch der Debatte um Dekonstruktionen Stoff: Wenn der im 18. Jahrhundert entstandene Brauch der Trommelweiber (Männer verkleiden und maskieren sich als Frauen und ziehen mit Blas- und Schlaginstrumenten durch den Ort) parodiert wird, indem sich Frauen als Männer verkleiden, die sich als Frauen verkleiden. Und damit nicht genug: Weil die weibliche Trommelweiberpartie auch Musikanten braucht, werden Männer engagiert. Sie verkleiden sich dann sozusagen als Frauen, die sich als Männer verkleiden, die sich als Frauen verkleiden.
Das Buch ist wohltuend sorgfältig redigiert und um geschlechtergerechte Sprache bemüht. Zum Beispiel wird im Verzeichnis der Autorinnen und Autoren sowie Herausgeberinnen und Herausgebern verdeutlicht, dass Prof. Dr. nicht als Professor Doktor gelesen werden soll, sondern als Professorin Doktorin. Aber Herausgeberinnenschaft muss das sein?
Freia Hoffmann


