de la Motte-Haber, Helga / Lydia Rilling / Julia H. Schröder (Hg.)

Dokumente der Musik des 20. Jahrhunderts

Reihe: Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Bd. 14

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2011, 2 Bände
erschienen in: das Orchester 01/2012 , Seite 58

Es sind Massen an Informationen, Mengen an Ideen, eine Vielzahl an Denkanstößen, die die Herausgeberinnen klug und bezeichnend für dieses großartige Handbuch zusammengetragen haben. Hunderte von Programmen und Positionen, Provokationen und Pamphleten, aus West und Ost, aus den Zentren der Moderne, von den Rändern des Geschehens. Dem Nutzer ermöglichen sie den schnellen, fesselnden Einblick, und sie animieren und befähigen ihn auch zur gründlichen und einträglichen Forschungsreise in die Texte. Denn das Buchkonzept spürt nicht nur ästhetischen Wegen nach, lässt nicht nur heroische Zeiten Revue passieren oder will gar eine schnurgerade Fortschrittslinie ziehen – ihm ist es um die Markierung von Querverbindungen und Zusammenhängen zu tun: Es breitet das Panorama jener vielfältigen bis widersprüchlichen Erscheinungen aus, die die Musikkultur des 20. Jahrhunderts geprägt haben und ausdrücken. Mit all ihren möglichen Genres, Orten, Grenzüberschreitungen.
Vollständigkeit bis ins letzte Detail ist da zwar schwerlich möglich; die Art und Weise der Auswahl und Aufbereitung berühmter oder kaum bekannter Dokumente und die Qualität der Begleittexte erweisen sich jedoch als überaus aufschlussreich und charakteristisch. Die beiden Großkapitel des ersten Teilbandes lenken den Fokus auf „Manifeste – Proklamationen – Skandale“ (zwischen 1907 und 2010) und auf die „Musik in und um den Konzertsaal“ (bis 2008) – und da auf Anfänge und Umbrüche, Neubeginn in Europa nach 1945, Pluralismus der Stile und Techniken, USA zwischen Avantgarde und Neoklassizismus, Elektronische und Konkrete Musik. Dass dabei der sachlich-kritische Blick auf Musiker, Werke, Verläufe und Orte in östlichen Ländern nicht ausgelassen wird, sei betont, weil nicht selbstverständlich.
Im zweiten Teilband sind Hans Emons, Lutz Fahrenkrog-Petersen und Wolfram Knauer die Spezialisten bei der Anordnung und Kommentierung der Textfelder. Deren Themen umfassen – ebenfalls chronologisch geordnet – „Neue Musik und Bühne, Jazz, Populäre Musik, Filmmusik, Grenzüberschreitungen/Transmedialität“.
Der Vorzug des neuen Handbuchs ist nicht nur der reiche Dokumentenschatz – auch zusätzliche Mitteilungen haben ihren Reiz: Jeder Buchabschnitt ist mit einem Literaturverzeichnis versehen. Im Anhang finden sich fremdsprachige Originale in deutscher Übersetzung und alle 321 Dokumente von Adorno bis Zimmermann auf einen Blick. Ein Personenregister ist vorhanden, und der Anhang zum ersten Teil enthält zudem eine Chronik, die wesentliche Daten zu Politik und Kultur, zu Künstlern und Werken bündelt.
Die Buchgestaltung beeindruckt durch Aufwand und Großzügigkeit. Nicht nur, dass da die Spannung zwischen dem Sog des Authentischen und der wertenden Sicht drucktechnisch veranschaulicht ist – zahlreiche Bilder, Grafiken, Faksimiles und Notenbeispiele versehen den Gebrauchswert überdies mit einem erheblichen Genussfaktor: Das Musikbuch präsentiert sich selbst als anspruchsvolles, aussagestarkes, attraktives Kunstwerk.
Eberhard Kneipel

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