Brüggemann, Axel
Wie Krach zu Musik wird
Die etwas andere Musikgeschichte
Axel Brüggemann, umtriebiger Autor, Kulturjournalist mit Lifestyle-Nähe und Echo-preisgekrönt, hat eine Musikgeschichte geschrieben, die sich an Kinder ab zwölf Jahren richtet zumindest passt zu dieser Zielgruppe der erzählende, einfach gehaltene Sprachduktus. Ein Aufkleber mit einer Empfehlung von Klassik Radio weitet diese Zielgruppe indes aus auf musikhistorisch unbedarfte Hörer.
In sieben Kapiteln bietet das Buch eine Geschichte der Musik vom Urschrei, dem Mama-Intervall bis zu Cage oder dem Rap und stellt dabei vielfältige Beziehungen zu den Zeitströmungen und Zeitwandlungen her. Sechs Musiker aus der Welt der (Klassik-)Stars von Daniel Barenboim über Thomas Quasthoff bis hin zu Sting haben Texte beigesteuert, plaudern anregend aus ihren Nähkästchen. Vignetten von Monika Horstmann sind von dekorativer Kindlichkeit, ein Register lässt das Buch in Maßen auch Nachschlagewerk sein.
Genug des anfänglich von der Idee des Buchs eingenommenen Präludierens. Fuge! Fuge? Da ist zu lesen: Im Prinzip ist eine Fuge ganz einfach aufgebaut: Es gibt ein Thema, nach einiger Zeit beginnt dieses Thema noch einmal und verknotet sich mit dem ersten (also ein bisschen wie in einem Kanon). Es kann auch ein zweites, ganz anderes Thema folgen. Wichtig ist nur, dass beide Themen immer wieder ineinander verschachtelt werden. Man sollte sich nicht scheuen, diese Definition als falsch zu bezeichnen, auch wenn man geneigt wäre, mit Blick auf Brüggemanns Leser an di-daktische Reduktion zu denken. Allerdings ist man in punkto Fehler bereits eingestimmt: Auf Seite 19 meint der Autor, die 1 beim Dirigie-
ren sei (meist) oben, auf Seite 14, dass sich die Dämpfer heben, wenn man das linke Pedal am Klavier tritt. Oder: Eine komplizierte Weiterentwicklung der Flöte ist die Oboe. Hat der Verlag eigentlich keinen Fachlektor?
Ungenauigkeiten dieser Art sind zahllos, auch bei historischen Sachverhalten. Der kleine Junge namens Ludwig, der Mozart einmal besuchte, war der immerhin schon 17-jährige Beethoven. Dass das Volkslied Das Wandern ist des Müllers Lust, das Schubert zum Kunstlied gemacht haben soll, erst 1844 von einem Carl Friedrich Zöllner komponiert wurde, ist dem Autor anscheinend nicht bekannt. Ein so epochenübergreifendes Phänomen wie die Sonatenhauptsatzform wird in Brüggemanns Beschreibung auf abenteuerliche Weise verballhornt und ihres Sinns entkleidet. Nichts lässt da ahnen, was für eine aufregende, spannende Angelegenheit so ein Sonatenhauptsatz doch sein kann. Nicht nur bei solcher Gelegenheit vermisst man die emphatische Begeisterung für Musik überhaupt, wie sie einem etwa in der mitreißenden Art der verbalen Vermittlung in Leonard Bernsteins Konzert für junge Leute noch in der Buchfassung begegnet.
Brüggemanns Versuch, sich auf Augenhöhe seinen jungen Lesern zu nähern, ist löblich. Er erliegt allerdings immer wieder der Gefahr, mit dem 13-Jährigen identisch zu werden. Indem sich der Autor klein macht, verkleinert sich hier zugleich die Kunst. Und man ist geneigt, Holger Noltzes Warnung (in: Die Leichtigkeitslüge) vor den Reduzierern, die
es oft nicht besser wissen, ernst zu nehmen.
Günter Matysiak


