Brahms, Johannes / Richard Strauss
Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 / Tod und Verklärung op. 24
Der Schweizer Dirigent Roman Brogli-Sacher hat seit 2001 als Generalmusikdirektor und später auch als Operndirektor am Theater in Lübeck mit dem Philharmonischen Orchester zwölf Jahre zusammengearbeitet. In dieser Zeit hat das Orchester, das nur über 66 Planstellen verfügt, mehrfach CD-Livemitschnitte seiner Konzerte vorgelegt und durch die DVD-Produktion von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen, die mit einem Echo-Klassik-Preis ausgezeichnet wurde, auf sich aufmerksam gemacht. Das Werk von Richard Strauss ist bei den Konzert-Mitschnitten besonders häufig vertreten. Es ist ein Repertoire-Schwerpunkt Brogli-Sachers, der am Theater auch die Opern Salome und Arabella einstudiert hat.
Die Vertrautheit mit der Ausdruckswelt von Richard Strauss zeigt sich so auch in der Sinfonischen Dichtung Tod und Verklärung, in der das Lübecker Orchester mit großer Intensität, Leidenschaft und Präzision beeindruckt. Brogli-Sacher gestaltet große Spannungsbögen und gibt dem Orchester die Möglichkeit zur klanglichen Opulenz. Dabei ist die Homogenität des runden und warmen Streicherklangs hervorzuheben. Beeindruckend ist auch die Sicherheit der Blechbläsergruppe. Die Solopartien der Holzbläser sind durchweg überzeugend, die Präsenz und damit die klangfarbliche Wirkung des Holzbläsersatzes kommen am besten in den mittleren Dynamikbereichen zur Geltung. Im Orchestertutti werden sie aber von der Aufnahmetechnik benachteiligt. Hier gelingt es nicht, für genügend Transparenz zu sorgen.
Dies ist auch leider bei der Live-Aufnahme der Sinfonie Nr. 1 von Johannes Brahms aus dem Jahr 2010 zu konstatieren. Brogli-Sacher wählt hier wie auch bei Strauss angemessene Tempi, die ein emotional erfülltes Spiel zulassen. Seine Interpretation ist zunächst noch etwas statisch, gewinnt aber zunehmend an Spannung und Eindringlichkeit. Brogli-Sachers Brahms ist kraftvoll, achtet auf die große Linie und wird sehr geradlinig musiziert. Für größere Rubati gibt es fast keinen Spielraum. Die dynamischen Vorgaben werden nicht immer optimal realisiert, sodass einige kompositorische Feinheiten nicht ganz zur Geltung kommen. Die bestens disponierten Streicher mit ihrem im Violinsolo des zweiten Satzes besonders klangschön spielenden Konzertmeister und die Tonkultur der Bläser sorgen aber insgesamt für einen äußerst positiven Gesamteindruck dieses Live-Mitschnitts des Philharmonischen Orchesters der Hansestadt Lübeck, das unter dem 2013 scheidenden Generalmusikdirektor Roman Brogli-Sacher nach zwölfjähriger Tätigkeit ein sehr hohes Niveau erreicht hat.
Heribert Haase