Alpine Horn Symphonic
Google bietet für Eliana Burki etliche YouTube-Treffer an. In den Videoclips aus Japan, Köln oder sonstwo sieht man eine hübsche junge Frau, die unter neugierigen Passantenblicken eine lange Röhre auf der Schulter durch Städte oder an Meeresstrände trägt und sie dort oder auf Glitzerbühnen spielt. In einem Clip erfährt der Schweizer TV-Moderator Engelbert Aeschbacher von ihr in schönstem Schwizerdütsch, ihr Alphorn sei 3,70 m lang und man brauche fürs Blasen gute Bauchmuskeln. Die heute Dreißigjährige spielt in diesen Video-Sequenzen etwa einen gitarrenbegleiteten elegischen Tango oder mit ein paar wilden Gitarristen samt Schlagzeug Jazz‑, Pop- oder Funk-Stücke, sie singt auch und tanzt auf hohen Absätzen umher, haut einmal aufs Schlagzeug oder benutzt in einer Rhythm-and-Blues-Sequenz ein zweites langes Rohr mit Ventilaufsatz. Das alles wirkt verwegen und exotisch schon wegen des unhandlichen Instruments, das man eher lederbehosten Männern mit Wadelstrümpfen und Gamsbärten auf ihren Hüten zuordnet, die auf Bergabhängen sonnenbeschienenen Alpengipfeln elegische Hornsignale zublasen.
Eliana Burkis neue CD enthält auch solche Stücke, die Alpenglühen und Schneegipfel beschwören, beginnt aber mit einem geradezu klassischen Konzert von Jean Daetwyler, einem Schweizer Komponisten, der sich fürs Alphorn begeisterte und dieses ausgefallene Instrument 1972 mit einem Solokonzert bedachte, dem er weitere sieben Stücke für dieses Instrument folgen ließ und es so von den hohen Bergen in den Konzertsaal geholt hat. Die vier folkloristisch bestimmten Sätze seines Konzerts beschreiben bewegende Stimmungsbilder aus dieser Bergwelt.
Das gilt auch für ein weiteres Alphornkonzert von Daniel Schnyder, einem der vielseitigsten modernen Schweizer Gegenwartskomponisten, das in drei Sätzen Folklore-Elemente mit modernsten Kompositionsmitteln verarbeitet und dem Alphorn dabei hochvirtuoses Spiel abverlangt, das Eliana Burki mit verblüffender Blastechnik, aber auch mit Hilfe von drei Ventilen hinter dem Mundstück ihres Instruments souverän meistert ohrenschmeichelnd ihre Kadenz im 1. Satz, wo fernes Kuhglockengeläute mit dem Westminsterschlag verbunden wird. Schnyder wird im Booklet mit der überraschenden Feststellung zitiert, er sei überzeugt gewesen, niemand könne sein Konzert wirklich auf einem Alphorn spielen
Es folgen ein paar alpenländische Stimmungsstücke; Track 11 Las Tres Princesas ist jener Tango, der auch auf YouTube zu hören ist; und Track 10 Heart of Cairo ist ein Viereinhalb-Minuten-Stück, das im Fortissimo einen fulminanten Höhepunkt erreicht mein Anspieltipp!
Offenbar will die exotische Ausnahmekünstlerin ihrem Pop-Art-Image einen seriöseren Touch beifügen, was wenn diese CD ein Anfang sein soll ihr sicher gelingen wird, falls ihre Schweizer Komponistenfreunde ihr noch mehr Alphornwerke auf den Leib schreiben: Es wäre zu wünschen!
Diether Steppuhn