Lesle, Lutz
Im Stil der Zeit arbeiten
Ein Porträt der Orchesterlandschaft Estlands, Lettlands und Litauens, fünfzehn Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion
In Sowjetrussland führten die Musen, sofern sie die Doktrinen der Partei beherzigten oder die Kunst der Verhüllung beherrschten, ein sorgloses Leben. Um auf gute Gedanken zu kommen, konnten sich Komponisten in naturnahe Refugien zurückziehen, die ihr Verband zu diesem Zweck unterhielt. Die Kulturministerien der Unionsrepubliken kauften etliche Partituren, der Staatsverlag druckte einige. Der Komponistenverband vermittelte Aufführungen, arrangierte ganze “Autorkonzerte”. Niemand fragte, woher das Geld kam und ob die Musik Anklang fand. Mit dem Zusammenbruch Sowjetunion zerriss das sozialistische Sicherheitsnetz der “Kulturschaffenden”. Plötzlich waren die Künstler auf sich gestellt. Mühsam mussten sie lernen, ihre Kunst selbst zu Markte zu tragen und sich im freien Wettbewerb zu behaupten, um nicht unter die Verlierer zu geraten.