Nelson, David L.

Wien für den Musik-Liebhaber

Ein Reiseführer zu allen Musikstätten und Aufführungsorten in der Welthauptstadt der Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Doblinger/Christian Brandstätter, Wien 2006
erschienen in: das Orchester 03/2007 , Seite 80

Wien, Wien, nur du allein – ließe sich mit Recht (und Rudolf Sieczynski) sagen – birgst so viele musikgeschichtlich interessante Orte, Gedenkstätten und Institutionen wie sonst keine Stadt. Es mag überraschen, dass nun ausgerechnet ein US-amerikanischer Autor einen Reiseführer in die Musikkapitale der Welt schlechthin vorlegt. Für David L. Nelson aber, der als Experte für Österreichstudien an der University of North Carolina lehrt, ist Wien inzwischen zur zweiten Heimat geworden.
Diese Vertrautheit des Autors mit seinem geliebten Gegenstand ist dem Reiseführer Seite um Seite, Schritt auf Tritt anzumerken. Chronologisch spannt sich der Bogen von der Gründung der Hofkapelle im Jahr 1498 bis in die jüngste Gegenwart. Das Mozarthaus Vienna, zum Jubiläum erst eröffnet, wird bereits berücksichtigt. Trotz der dichten Informationen sind die Seiten hierzu – wie auch der Rest des Buchs – keinesfalls trocken zu lesen; dafür sorgt schon ein Zitat aus einem Brief Leopold Mozarts an Nannerl („abscheulichs Wetter!“). Zudem illustrieren Fotos und historische Gemälde das Gesagte und führen es so lebendig vor Augen, dass man die (imaginäre) Reise nicht nur zu Mozarts Wiener Wohnhäusern auch vom heimischen Lehnstuhl aus unternehmen möchte.
Am Ende der Ausführungen fassen jeweils grau hinterlegte Boxen die Höhepunkte zusammen. Das ist sehr benutzerfreundlich, lenkt den Blick auf Essenzielles und spart Zeit. Denn die ist nötig, will man auch nur einen Bruchteil dessen, was Wien dem Musikfreund zu bieten hat, besuchen. „Musik, wohin man blickt“, das letzte von insgesamt vier großen Kapiteln, versammelt allein 419 musikalische Adressen. Die Wohnsitze Mozarts und Beethovens sind in gesonderten Chronologien verzeichnet.
Nelson hat sieben Spaziergänge durch Wien ausgewählt, auf denen er sich als verlässlicher Cicerone erweist. Die Stationen werden durchnummeriert, im laufenden Text kenntnisreich beschrieben und sind auf den mehrfarbigen Stadtplanausschnitten leicht zu entdecken. Zu den „Orten, an denen Musikgeschichte lebendig wird“, zählen neben den Komponistengräbern die Sammlung alter Instrumente im Kunsthistorischen Museum, das auf Interaktion setzende Haus der Musik und das Arnold Schönberg Center.
Das Eingangskapitel beschreibt die Geschichte der Konzert- und Opernhäuser und der Orchester. Das Klangforum Wien und das Mozart-Orchester werden ebenso gewürdigt wie die zu erwartenden großen Namen. Angesichts jahrelanger Wartezeiten weiß aber auch Nelson nicht, wie man an eine Karte für die Abonnementskonzerte der Wiener Philharmoniker kommt. Nützlich sind die den Band abrundenden Informationen (einschließlich Telefonnummern und Websites) dennoch. Die Übersetzung der zeitgleich erscheinenden Originalausgabe hat Gerold Gruber besorgt, der an der Universität für Musik und darstellende Kunst lehrt.
Jürgen Gräßer