August Winding
Violinkonzert
op. 11, Partitur/ Klavierauszug, hg. von Walter F. Zielke
Auf der Suche nach Repertoirelücken erweisen sich kleine Verlage – meist wahre Einzelunternehmungen – gerne als besonders findig. Das Schema ist dabei immer dasselbe, und es bezieht sich meist auf die scheinbar unproblematische Musik des 19. Jahrhunderts. Denn statt von interessanten Werken nach aufwendiger Quellenrecherche eine ordentliche Ausgabe vorzulegen, wird in Bibliotheken und Archiven gleich an den Rändern des Repertoires gestöbert. Kommt hie und da tatsächlich eine im doppelten Sinne unerhörte Komposition zum Vorschein, handelt es sich meist eben doch bloß um ein Werk, das nicht ohne Grund einst ungedruckt blieb. Das Violinkonzert op. 11 von August Winding gehört zwar auch auf den zweiten Blick nicht in diese Kategorie, jedoch ist es hier einmal mehr die Ausgabe, an der man sich stören kann. Doch der Reihe nach.
August Winding (1835–1899) gehört zu jener Generation, die dem „Goldenen Zeitalter“ in Dänemark nachfolgte, jener Zeit, in der sich unter den Komponisten Niels W. Gade und J. P. E. Hartmann das bürgerliche Musikleben Kopenhagens institutionalisierte. Von Carl Reinecke (damals noch Hofpianist) am Flügel und Gade (dem späteren Hofkapellmeister) in Komposition ausgebildet, schuf Winding vor allem Werke, die er selbst am Klavier aufführte, darunter ein Klavierkonzert, das man unbedingt mit demjenigen von Edvard Grieg parallel hören sollte: Es ist nahezu zeitgleich niedergeschrieben, steht ebenfalls in a‑Moll und wird auch als op. 16 gezählt.
Etwas eher entstand 1866 das Violinkonzert op. 11, das am 2. März 1867 von Wilhelmine Neruda mit dem Orchester des Kopenhagener Musikvereins uraufgeführt wurde. Zwanzig Jahre später revidierte Winding die Partitur grundlegend – und diese Fassung liegt nun erstmals gedruckt vor.
Hier aber beginnen die Probleme einer vor allem gut gemeinten Ausgabe in einem Verlag, der in seinem Katalog wirbt mit „HQ first editions that leave nothing to be desired“. Ja, der Notensatz der Partitur ist wirklich sehr anständig vom Herausgeber selbst erstellt worden. Und dennoch stören schon beim ersten Lesen die durchgehend divisi gehalsten und durchpausierten Bläser. Das Format (auch des neu eingerichteten Klavierauszugs) ist in einem POD-freundlichen DIN-A4-Format gehalten (die Ausgabe ist nur über einen Online-Dienstleister zu beziehen).
Dem Vorwort ist schließlich anzumerken, dass hier vor allem mit Begeisterung zu Werke gegangen wurde: Warum etwa wird das Uraufführungsdatum des Konzerts nicht genannt, warum kein Wort verloren über Art und Umfang von Windings Revision, was möglicherweise aufführungspraktisch erhellend gewesen wäre? Der im Vorwort inkludierte (!) Kritische Bericht verdient seinen Namen nicht. Weder eine Quellenbeschreibung noch konkrete Anmerkungen zum Notentext sind enthalten. Wie aber herausgeberisch ins Original eingegriffen wurde, lässt sich im Vergleich mit den drei beigefügten Faksimiles nachvollziehen (Dynamik, Phrasierung, Stimmung der Hörner). Kleiner Tipp: Die Taktzahlen sollten stimmen.
Michael Kube