Handstein, Jörg
Verdi. Das Wahre erfinden
Eine Hörbiografie von Jörg Handstein, 3 CDs
Nach seinen vom Bayerischen Rundfunk produzierten Hörbiografien über Gustav Mahler und Richard Wagner hat sich der Musikwissenschaftler Jörg Handstein im Jubiläumsjahr 2013 nun auch Giuseppe Verdi gewidmet. In Das Wahre erfinden wird das Leben des größten italienischen Opernkomponisten nacherzählt, informativ und gut recherchiert. Für Lebendigkeit sorgen wieder zahlreiche Hörschnipsel aus seinen Opern mit großen Interpreten wie Joan Sutherland, Tito Gobbi, Herbert von Karajan oder Carlos Kleiber. Auch die auf mehrere Rollen verteilten Texte sorgen für ein kurzweiliges Hörvergnügen; neben einem Erzähler (Udo Wachtveitl) sind fünf weitere Sprecher beteiligt.
Handstein enttarnt so manches Klischee des selbsternannten Bauern aus Roncole, der auf seinem Landgut in St. Agata wie ein Großgrundbesetzer residierte, Wutausbrüche bekam und seine Frau brüsk zurechtwies. Verhandlungsgeschick beim Verkauf seiner Opern war bei ihm ebenso ausgeprägt wie sein Sinn für echte und innovative Charaktere, die er in Macbeth, Rigoletto oder Don Carlos auf die Bühne zauberte. Verdis Rolle in der Politik und seine Position im italienischen Risorgimento werden in ihrer ganzen Vielschichtigkeit erzählt. Es bleibt der Eindruck eines selbstbewussten Mannes, der sich von familiären Schicksalsschlägen oder frühen Misserfolgen nie vom rechten Weg abbringen ließ. Auch seine kritische Haltung gegenüber der katholischen Kirche wird erwähnt und vor dem Hintergrund seiner sakralen Spätwerke wie dem Requiem mit einem Fragezeichen versehen.
Die Lebensabschnitte können auch häppchenweise genossen werden. Unterteilt ist die Biografie in sieben Kapitel à 24 Minuten, versehen mit griffigen Überschriften wie Von der Dorfkirche an die Scala oder National und Triumphal. Musikalisch werden sie schön umrundet, mal dürfen sie ruhig ausklingen, mal beenden wuchtige Akkordschläge eine Lebensphase. Vielfach werden Bezüge hergestellt zwischen Musik und Biografie. Die Oper La battaglia di Legnano wird als Kampfstück der Revolution 1848 gedeutet, der Welterfolg La Traviata als Antwort auf Verdis uneheliche und von der Gesellschaft gerügte Beziehung zur Sängerin Giuseppina Strepponi, die er erst spät heiratete. Die Sturmszene aus dem Spätwerk Otello untermalt im siebten Kapitel hingegen die für 1879 dokumentierte Flutkatastrophe in der Po-Ebene. Es gibt in Handsteins Hörbiografie kaum ein Thema, das nicht angerissen und mit passenden Zitaten untermauert wird wie etwa Verdi und Wagner, Verdi und Boito oder Verdi der Wohltäter. Natürlich darf auch seine geheimnisvolle Beziehung zur Sängerin Theresa Stolz nicht fehlen, die als Elisabeth, Leonora und Aida Interpretationsgeschichte schrieb.
Die drei CDs bieten also eine perfekte Einführung in das Leben und auch Werk des berühmten Italieners. Als Zugabe enthält die Box die unbekannte Revolutionshymne Suona la tromba, gesungen vom Chor des Bayerischen Rundfunks.
Matthias Corvin