Werke von Dimitri Schostakowitsch, Anton Arensky und Sergej Rachmaninow
The Russian Album
Atos Trio: Annette von Hehn (Violine), Stefan Heinemeyer (Violoncello) und Thomas Hoppe (Klavier)
Die russische Musik suchte und fand ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Anschluss an die Entwicklung der westlichen Kunstmusik. In vielen Gattungen stilbildend war dabei Anton Rubinstein, der zwischen 1851 und 1883 auch fünf Beiträge zur Klaviertrio-Literatur schuf. Allerdings erreichten erst die Werke späterer Komponistengenerationen den sprichwörtlichen Platz im Repertoire, namentlich Tschaikowskys monumentales Opus 50, auch je zwei Werke Arenskys, Rachmaninows und Schostakowitschs. Die drei letztgenannten Namen vereint das Atos Trio Annette von Hehn, Stefan Heinemeyer und Thomas Hoppe in seinem Russischen Album.
Das Trio élégiaque in g-Moll von Sergej Rachmaninow ist ein früher Talentbeweis des nicht einmal 19-jährigen Komponisten, der damals als Protegé von Tschaikowsky galt. Einsätzig und geprägt von weit ausholenden Trauerkantilenen, endet das knapp 14-minütige Stück in einem Trauermarsch, der die melodische Bewegung nach und nach erstarren lässt. Das Atos Trio spielt diese Musik mit klug differenzierter Ausdrucksintensität und ausgezeichneter rhythmischer Kontrolle, die auch Rubato-Abschnitte souverän synchronisiert.
Während Rachmaninow den Anlass seiner Trauer nicht benennt, hat Anton Arensky sein d-Moll-Trio op. 32 im Jahr 1894 dem Andenken des 1889 verstorbenen Cellisten Karl Davidoff gewidmet. Arensky, Schüler von Rimsky-Korsakow in Petersburg und selbst in Moskau Lehrer von Rachmaninow und Skrjabin, pflegt in seinen Trios die große viersätzige Form, wie sie bei Mendelssohn, Brahms oder Dvorák seit den 1840er Jahren zum Modell wurde. Im d-Moll-Trio liegt zwischen den schwermütigen bzw. dramatischen Ecksätzen ein spritziges D-Dur-Scherzo und eine klangschöne Elegie in g-Moll. Hehn, Heinemeyer und Hoppe meistern diese unterschiedlichen Charaktere mit Bravour; lediglich im Scherzo wünschte man sich eine bis in den Bassbereich deutlich bleibende Skalenbrillanz des Klaviers, wie sie etwa Menahem Pressler mit dem Beaux Arts Trio mustergültig vorführte.
Auch das e-Moll-Trio op. 67 von Dmitri Schostakowitsch ist ein Stück kompositorischer Trauerarbeit, in diesem Fall dem 1944 gestorbenen Musikschriftsteller Iwan Sollertinski gewidmet. Auch in diesem bekenntnishaft-angespannten Werk überzeugt das Atos Trio tonlich und geschmacklich rundherum. Im bissigen Fis-Dur-Scherzo benötigen die Interpreten zwar 20 Sekunden länger als Kogan, Rostropowitsch und Gilels bei ihrer Aufnahme von 1959, dafür arbeiten sie aber Akzente und die ständigen Crescendo-Öffnungen zur Zählzeit Drei hin sorgfältig und effektvoll heraus. Auch die jüdisch inspirierte Thematik des Finales gelingt den drei Musikern mit großer Verve. Unterstützt werden sie von einer plastischen, manchmal etwas cellolastigen Aufnahmetechnik.
Rainer Klaas