Grigori Frid

Symphony No. 3/Double Concerto/Inventions

Isabelle van Keulen (Viola), Oliver Triendl (Klavier), Georgisches Kammerorchester Ingolstadt, Ltg. Ruben Gazarian

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Capriccio
erschienen in: das Orchester 12/2019 , Seite 67

Der 1915 in St. Petersburg geborene und 2012 in hohem Alter in Moskau verstorbene russische Komponist Grigori Samuilowitsch Frid wird den wenigsten bekannt sein. Am ehesten kennt man seine 1968 komponierte Oper Das Tagebuch der Anne Frank. Dabei spricht seine Musik durch die hohe Expressivität unmittelbar an. Frid komponierte polystilistisch und zumeist unbeeinflusst vom russischen Realismus. Seine grundtonbezogene Klangsprache enthält gleichermaßen tonale und freitonale Elemente.
Dies wird schon beim ersten Satz des Konzerts für Viola, Klavier und Streichorchester op. 73 von 1981 deutlich. Aus den tiefen Bassoktaven des Flügels entwickeln sich aparte, hochexpressive Klanggebilde. Die freitonalen Figuren werden immer wieder durchkreuzt von tonalen Sequenzen. Schwer ziehen sich die Melodielinien der Viola und es entwickelt sich ein ausdrucksvoller Klagegesang.
Das Allegro moderato des zweiten Satzes bringt Bewegung und rhythmische Prägnanz, durchzogen von motorischen, virtuosen Spielfiguren, bevor mit dem Sostenuto ein knapp 18-minütiger Klagegesang beginnt. Pianist Oliver Triendl gestaltet den Klavierpart mit feinem Klangsinn, einem transparenten Klangbild und in guter Korrespondenz zur Viola. Isabelle van Keulen verleiht ihrem Instrument durch die dunkle Tonfärbung einen dem Werk angemessenen elegischen Charakter. Auch in der Höhe zaubert sie überraschende Klangverbindungen im Flautando oder im Flageolett. Beide Solisten bauen durch ihr Spiel eine enorme innere Spannung und Intensität auf, welche sie allerdings beim zu langatmig komponierten Lamento bei allem Einsatz nicht ganz durchhalten können.
Bei der dritten Sinfonie op. 50 für Streichorchester und Pauken, komponiert 1964, kann das Georgische Kammerorchester unter der Leitung von Ruben Gazarian seine Spielqualitäten besonders zeigen, sei es in den bewegten Figuren der schnellen Ecksätze oder auch im ausdrucksvollen, volksliednahen modalen Gesang des Mittelsatzes, der sich zu voller Klangpracht entfaltet. Die Pauken bilden einen spannenden klanglichen Kontrapunkt zu den Streichern. Es fällt wieder der Wille des Komponisten auf, aus den Grundtonbeziehungen (hier der Pauken) die gesamte komplexe Klangstruktur zu entwickeln. Das Ganze wird immer wieder von polyfonen Passagen durchzogen. Die beiden charakterlich unterschiedlichen Inventionen op. 46 A sind ebenfalls ein gutes Beispiel für Frids polyfone Kompositionsweise.
Einziger Wermutstropfen dieser CD ist (neben dem zu langen Lamento in op. 73), dass das Georgische Streichorchester im Tutti zwar präzise, aber nicht immer intonationsrein spielt. Aufgenommen wurden alle drei Werke von Grigori Frid am 8. Mai 2018 im Festsaal von Ingolstadt (Live Recording) als Koproduktion mit dem Deutschlandfunk Kultur. Sie geben einen erhellenden Einblick in die Kompositionswelt eines ausgezeichneten, zu Unrecht wenig bekannten Komponisten.
Christoph Keller