Negri, Antonio Eros
Symbolum Apostolorum
für gemischten Chor (SSAATTBB), Chorpartitur
Die Biografie und das Schaffen dieses italienischen Komponisten und Hochschullehrers, Chorleiters und Orchestergründers, Musikforschers und Gewinners zahlreicher Preise und Auszeichnungen verweisen auf eine Persönlichkeit voller faszinierender Facetten. 1964 in Mailand geboren, wuchs Antonio Eros Negri in einer Kultur auf, in der die Traditionen des Ambrosianischen Gesangs fortleben und zu einer Inspirationsquelle seiner Musik wurden. Negri studierte Harmonielehre und Kontrapunkt am Giuseppe-Verdi-Konservatorium in Mailand und erwarb Diplome in Orgel- und Cembalospiel und in Komposition. 1982 wurde er Organist und Chorleiter an San Gioacchino in Mailand; 1987 erhielt er eine Dozentur am Päpstlichen Ambrosianischen Institut für Kirchenmusik, und 1988 wurde er Professor am Konservatorium in Como, wo er ein Jungendorchester gründete und seit 2014 den Lehrstuhl für Komposition innehat.
Als Dirigent und Komponist arbeitete Negri mit zahlreichen Klangkörpern und Institutionen zusammen und erwarb sich große Verdienste durch Aufführungen und CD-Einspielungen vieler bislang unveröffentlichter Werke (u.a. von Adrian Willaert). Titel wie Sacra symphonia per grande orchestra oder Cantata ambrosiana, Alla battaglia per quattro clavicembali oder La caccia, Lullaby per pianoforte oder Jazz, Gioco musicale oder Del gioco, del cuore, dellallegria (Teatro alla scala, 2006) lassen sein besonderes Interesse an der Musik der Renaissance und des Frühbarock, an Folklore und Jazz sowie an ungewöhnlichen Genres und Besetzungen erkennen und benennen Impulse für schöpferische Aneignungsprozesse und kompositorische Strategien, die die Regeln der Tradition ebenso innovativ nutzen wie die Freiheiten der Postmoderne.
Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist das achtstimmige Chorstück Symbolum Apostolorum, das den Kritikerpreis 2012 des Internationalen Wettbewerbs Francesco Siciliani erhielt und am 14. September 2012 durch den St. Jacobs Kammerchor Stockholm unter Leitung von Gary Graden in der Basilica di San Pietro zu Perugia uraufgeführt wurde. Negris Vertonung des liturgischen Glaubensbekenntnisses wirkt wie eine kunstvoll-virtuose Synthese aus Gregorianik und Palestrina-Stil, aus Willaerts Raumwirkungen und Lassos farbig-bildhafter Textausdeutung. Zwischen den leuchtenden Klangsäulen des Credo am Beginn und in der Mitte des Stücks und des Amen am Ende (Akkorde mit bis zu 13 Tönen) entfaltet sich ein schön gestaltetes polyfones Linien-Spiel, das von vielerlei strukturellen und semantischen Bezügen und Verflechtungen durchzogen ist (Wasserzeichen nennt Negri diese wiederkehrenden Melodiefloskeln und Klangfiguren), indessen (antifonale) Akkordfolgen sowie die Wechsel von Tempo, Dynamik und Rhythmus kontrastreiche Klangzeichen für Glaube und Frohlocken, für Kreuzigung und Auferstehung schaffen. Zehn Minuten hindurch beschwört Negris Klangwelt die große Zeit der alten Vokalpolyfonie herauf ein zeitloses, leidenschaftliches und sehr persönliches Glaubensbekenntnis.
Eberhard Kneipel