Bradler, Katharina

Streicherklassenunterricht

Geschichte - Gegenwart - Perspektiven

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2014
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 69

Das Klassenmusizieren boomt nach wie vor in unseren Schulen, Streicherklassenunterricht ist heute weit verbreitet. Gelegentlich kann man kritische Stimmen hören, z.B. wenn alle Schüler einer Klasse dasselbe Instrument erlernen (müssen), vielleicht sogar im Gleichschritt. Oder wenn das Musizieren der einzige Inhalt des Musikunterrichts ist und andere Unterrichtsgegenstände außen vor bleiben. In der Streicherklasse können die Schüler meist zwischen Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass wählen, der Unterricht findet häufig in Kooperation zwischen Musikschule und allgemein bildender Schule statt.
Im vorliegenden Werk, das gleichzeitig Dissertationsschrift an der Universität der Künste in Berlin ist, untersucht Katharina Bradler den Streicherklassenunterricht historisch und systematisch. Da sich der Streicherklassenunterricht in Deutschland als eine Form des Klassenmusizierens seit 1990 aus der Praxis heraus entwickelt hat, hinkt die begleitende Forschung hinterher. Die Autorin hat das Ziel, der Unterrichtsform Streicherklasse eine theoretische Grundlage zu geben. Es geht darum, wo, wann und wie die Unterrichtsform ursprünglich entstanden ist, wie sie sich entwickelte, was gegenwärtig im deutschsprachigen Raum darunter zu verstehen ist und welche Fragestellungen sich für die Zukunft ergeben.
Ausführungen zum Musizierenlernen stehen nicht im Vordergrund, mögliche Schritte musikalischen und instrumentalen Lernens werden lediglich in kurzen Ausschnitten dargelegt. Anforderungen an den Musikunterricht sowie die Bestimmung von Funktionen und Zielen des Musizierens bleiben jeder Lehrkraft überlassen – zumindest wird das in diesem Buch nicht diskutiert. Die Arbeit versteht sich als Beitrag zur Grundlagenforschung, daher kann der Leser hier keine Hilfen für die Unterrichtspraxis erwarten.
Im geschichtlichen Teil stellt die Autorin Violin- und Streicherklassen in England und den USA dar, wo es bereits ab 1911 private Violinklassen gab. In Deutschland entstanden die ersten Streicherklassen nach Paul Rolland zu Beginn der 1990er Jahre.
Im zweiten Teil des Buchs werden Entwicklungen und Modelle der Gegenwart dargestellt. Zu je drei Streicherklassen an Primarschulen und Sekundarschulen werden Konzept, Finanzierung, Inhalte und Ziele sowie Methoden und Materialien beschrieben. Ein Überblick in Form einer Tabelle lässt Übereinstimmungen und Differenzen der Modelle deutlich werden. Es werden sechs deutschsprachige Unterrichtswerke untersucht und in Bezug auf das Repertoire, die instrumentenspezifischen bzw. allgemein musikalischen/musiktheoretischen Inhalte, den didaktisch-methodischen Aufbau in einer Übersicht dargestellt. In einem weiteren Kapitel werden didaktische Prinzipien von Streicherklassenunterricht aufgezeigt.
Im dritten Teil des Buchs geht es um Perspektiven, u.a. Ausführungen zur Diskussion um Einzel- versus Gruppen- bzw. Klassenunterricht.
Dieses Buch ist ein wichtiges Grundlagenwerk, das jedoch dem aktiven Lehrer für seine Unterrichtspraxis nur wenige Hilfen bieten kann und will.
Beate Forsbach