Schulhoff, Erwin
Sinfonies Nr. 2 & 5/Suite für Kammerorchester
Nachdem James Conlon im vergangenen Jahr (noch mit dem Gürzenich-Orchester) bereits zwei aus dem Particell rekonstruierter Sinfonien von Viktor Ullmann für sich neu entdeckt hat, widmet er sich nun Erwin Schulhoff und fast scheint es so, als ob damit bei dem Label Capriccio eine Folge von Aufnahmen entsteht, die die Nachfolge der vor gut einem Jahrzehnt bei der Decca produzierten Reihe Entartete Musik antreten soll. Das ist noch immer verdienstvoll; denn obwohl das eine oder andere Werk der einst verfemten, verfolgten, vernichteten und vergessenen Komponisten wieder für das Repertoire gerettet wurde, bedarf Vieles noch der Entdeckung und Prüfung. Da sollte es nicht an genauer Recherche fehlen, denn die auf dem Cover der CD Betroffenheit suggerierenden KZ-Fotos wollen nicht wirklich zum Schicksal von Erwin Schulhoff passen. Bekanntlich (und das lässt sich im Booklet nochmals ausführlich nachlesen) wurde er wegen seines russischen Passes lediglich in einem Lager für Angehörige feindlicher Staaten interniert (wo er sich weiterhin schöpferisch betätigen konnte, dann aber aufgrund der erbärmlichen Zustände an Tuberkulose verstarb).
Mit dieser Zeit haben aber auch die eingespielten Kompositionen herzlich wenig zu tun: Die jazzinspirierte Suite für Kammerorchester stammt aus dem Jahre 1921, die schon vielfach eingespielte, für Schulhoffs Personalstil (noch) charakteristische 2. Sinfonie aus dem Jahr 1932; lediglich die eigentümlich dunkel-bedrohliche 5. Sinfonie (1938/39) wird man als musikalischen Vorboten interpretieren wollen der von Schulhoff unternommene Versuch, einen von ihm betriebenen Kunst-Jazz zu etablieren, war nach seinem Scheitern einem bekennenden sozialistischen Realismus gewichen. Den daraus resultierenden unterschiedlichen Stilebenen begegnen James Conlon und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit gleichbleibender Souveränität und einem im besten Sinne ausgewogenen, professionellen Engagement, bei dem keine Geste hemdsärmelig daherkommt, sondern genau ausgehorcht ist (und dies selbst in der sich radikal-sentimental gebenden Suite).
Ohne nun allerdings Beckmesser sein zu wollen, sei an dieser Stelle noch auf eine neuerdings (und auch bei anderen Labels) zu beobachtende Unart hingewiesen: der grundsätzliche Verzicht auf Silbentrennungen im Booklettext. Der von Luftlöchern durchzogene Text zudem noch in sehr kleiner Schriftgröße ist leseunfreundlich.
Michael Kube