Schumann, Robert

Schlage nur eine Weltsaite an

Briefe 1828-1855

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Insel, Frankfurt am Main 2006
erschienen in: das Orchester 12/2006 , Seite 80

Anlässlich des Schumann-Jahres erschien im Insel Verlag eine einbändige Auswahl von Briefen des Komponisten, die von den beiden Literaturwissenschaftlern Karin Sousa und Rüdiger Görner herausgegeben wurden. Sie unterteilen ihren Band in zwei Teile: Der erste Teil widmet sich chronologisch den Briefen Schumanns an Familienmitglieder, Freunde, Komponisten, Verleger und andere Adressaten, der zweite, umfangreichere Teil enthält die Briefe an seine große Liebe und spätere Frau Clara Wieck. Nach Angaben der Herausgeber wendet sich das Buch an eine breite Öffentlichkeit. Man möchte Robert Schumann als einen „langjährigen, äußerst vielseitigen und versierten Briefschreiber“ vorstellen. Aus diesem Grund enthält der Band in einem Anhang Anmerkungen, ein Namensregister, ein Verzeichnis der erwähnten Werke Schumanns, eine Zeittafel sowie ein Nachwort.
Es ist zu wünschen, dass die Zielsetzung in Erfüllung geht. Schumanns Briefe sind häufig so zupackend und emotional gehalten, ein anderes Mal klar und analytisch abgefasst und doch immer so lebendig geschrieben, dass dem Leser der Mensch Schumann mit all seinen Widersprüchen vor dem inneren Auge erscheint. Von ihrer Substanz her können diese Briefe auch ein breiteres Publikum, das sich allgemein für Kultur interessiert, ansprechen, denn in ihnen spiegeln sich auch die literarische und musikalische Bildung Schumanns wider – und sie sind als Zeugnisse eines zutiefst romantischen Künstlers zu lesen. Der Komponist selbst hätte vielleicht geäußert, seine Briefe reflektieren seinen Kampf zwischen Poesie und Prosa, wie er seiner Mutter als 20-Jähriger seine Zerrissenheit zwischen Musik und Rechtswissenschaft beschrieb.
Im besten Fall kann man nach der Lektüre nicht nur Leben und Werk Schumanns nachvollziehen – und dies weit authentischer als in einer Biografie –, sondern auch zeitimmanente Fragestellungen und die Probleme eines romantischen Künstlers verstehen. Man wird in Schumann einen analytisch scharfsinnigen Geist erkennen, der über einen unvergleichlichen Instinkt für alles künstlerisch Bedeutende verfügt.
Allerdings ist die Lektüre für denjenigen mit viel Mühe verbunden, der sich zum ersten Mal mit Schumann beschäftigt. Um die Briefe wirklich einordnen zu können, muss man ständig zwischen Anmerkungen, Zeittafel und Briefen hin und her blättern. Außerdem sind die Anmerkungen häufig recht knapp gehalten. Auch die gewählte Anordnung ist zu hinterfragen: Wäre es nicht hilfreicher gewesen, wenn man die Anmerkungen direkt hinter die dazugehörigen Briefe gesetzt hätte? Und wenn man sich an eine breite Öffentlichkeit wenden möchte: Wäre es nicht besser gewesen, wenn man zu den einzelnen Briefen in kurzen Sätzen die dazugehörigen biografischen Fakten zusammengefasst und vorangestellt hätte? So aber kostet die Lektüre größere Mühe, die sich allerdings lohnt.
Klemens Fiebach