Martin Losert (Hg.

Quellen des Musizierens

Das wechselseitige Verhältnis von Musik und Pädagogik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 01/2018 , Seite 61

Wie erwerben Musiker ihre künstlerischen Fähigkeiten? Was sind Nebenwege, Irrwege und Sackgassen? Welche Momente und Stationen sind für ein erfolgreiches Lernen im Rahmen einer künstlerisch-musikalischen Ausbildung verantwortlich? Welche Personen, Umstände und Situationen spielen dabei eine Rolle?
Die Festschrift Quellen des Musizierens zu Ehren von Reinhart von Gutzeit, dem ehemaligen Rektor der Universität Mozarteum, ist eine Hom­mage an die Begegnung und gegenseitige Bereicherung von Kunst und Pädagogik in vielschichtigen Beiträgen von 13 Autoren aus den Bereichen Musik, Pädagogik und Wissen­schaft im Austausch mit anderen Musikern, Zuschauern und leiden-schaftlichen Laien. Die Beobachtungen der musikalischen Werdegänge fokussierten die Rolle der ersten Lehrperson, ohne dabei andere Aspekte wie familiäre und persönliche Situationen sowie sich zufällig ergebende Chancen außer Acht zu lassen.
Wie passend und facettenreich die titelgebende Metapher der Quel­le ist – die zu einem etwas holprigen Bach, dann zu einem Strom wird –, wird vielseitig in wissenschaftlichen und feuilletonistischen Kapiteln beleuchtet. In anderen Kapiteln – wie etwa im Beitrag des Herausgebers Martin Losert – wird das Verhältnis von künstlerischem und pädagogischem Können der Lehrenden im Unterricht verhandelt. Ulrich Mahlert betont mit Rückbesinnung auf Adorno besonders das Erleben des Zauberhaften in der Musik. Rainer Buland geht auf die Bedeutung des Spiels im (frühkindlichen) Lernen ein. Erik Esterbauer hebt die Bedeutung sensorischer und emotionaler Grunderfahrungen in der elementaren Musikpädagogik hervor, und Herbert Böck widmet sich dem Thema aus der eigenen, praktischen Tätigkeit heraus. Wolfgang Lessing und Peter Röbke ergänzen diesen thematischen Block mit Überlegungen zur Durchdringung von Kunst und Pädagogik sowie der Balance von ästhetischer Erfahrung und kognitivem Begreifen.
Einen anderen Ansatz wählen Michaela Schwarzbauer und Wolfgang Rüdiger, die sich werk-erfahrungsästhetisch mit u.a. Mozarts Eltern-Kind-Beziehungen und Schumanns Kind im Einschlummern auseinandersetzen. Hier gibt es erstaunliche Verbindungen zum soziokulturellen Aspekt des Musikmachens und -lernens, der besonders über die Beiträge von Andreas Bernhofer und Heike Henning Platz in der Sammlung findet. Sie beschäftigen sich mit sozio-kulturellem Familienstatus und dem Zugang zu Musik sowie dem Chor als sozialem Ort mit proaktiven Gestaltungsmöglichkeiten von Freude und Gemeinschaft.Abgerundet mit einem theoretischen Unterbau durch die Beiträge von Anna Maria Kalcher zu Kreativitätstheorien und Irmtraud Tarr zur Vortragsform des Lecture Recitals sowie Interviews von Manuela Mitterer mit verschiedenen, international renommierten Musikschaf­fenden über ihre persönlichen, musikalischen Werdegänge ist Quellen des Musizierens ein höchst informatives, unterhaltsames, tiefgründiges und kurzweiliges Buch, das aus unterschiedlichsten Interessenslagen heraus leicht zugänglich ist.
Judith Ph. Franke