Csampai, Attila / Dietmar Holland

Opernführer

Neuausgabe, grundlegend überarbeitet und erweitert unter Mitarbeit von Alexandra Maria Dielitz

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rombach, Freiburg 2006
erschienen in: das Orchester 05/2007 , Seite 73

Opernführer gibt es en masse. Der des Autorenteams Csampai/ Holland, erstmals 1989 erschienen, bildet weitgehend jenes Repertoire ab, das heute an den Theatern gepflegt wird. Barocke Werke sind inzwischen freilich stärker in Mode, als es im Buch verlautet; auch dass bei den zeitgenössischen Komponisten ein Detlev Glanert fehlt, geht an aktueller Statistik vorbei. Fraglos wurde sorgfältig abgewogen, was in einem einbändigen Buch überhaupt unterzubringen ist. Dass aber Lortzings Wildschütz fehlt, von Richard Strauss Die schweigsame Frau und Daphne, weiterhin Prokofjews Feuriger Engel, Egks Revisor oder auch Henzes Bassariden, ist schon als Manko zu werten. Das Kapitel „Weitere Opernkomponisten“ wirkt nicht ausreichend komplettierend. Positiv zu veranschlagen sind allerdings die biografischen Abrisse über wichtige Librettisten.
Ein wirklicher Schwachpunkt des Buchs sind die Kapitel „Geschichte“ und „Diskografie“. Natürlich stand bei der Rezeptionsgeschichte nicht die Ausführlichkeit der Piper-Enzyklopädie zu erwarten. Doch welchen Informationswert hat folgende Verlautbarung bei Salome: „England sperrte sich bis in die 1930er Jahre. Die New Yorker Aufführung 1907 wurde zum Skandal… Ein positives Echo löste die Neuinszenierung Luc Bondys für die Salzburger Festspiele 1992 aus.“ Und was bringt bei Smetanas Verkaufter Braut der Solitärsatz: „Andrea Breth bot bei ihrem Stuttgarter Regiedebüt 2003 einen ungewöhnlichen Blick auf die Oper“?
Bei den CD/DVD-Empfehlungen durfte gegenüber detaillierten Diskografien das Prinzip „pars pro toto“ sicher Platz greifen, doch stehen viele Tipps reichlich unbegründet im Raum und einige Auslassungen sind schlechterdings nicht nachzuvollziehen: Bellinis Norma und Donizettis Lucia nur mit Callas, aber ohne Sutherland, Mussorgskijs Boris ohne Boris Christoff, Straussens Salome und Elektra ohne Christel Goltz und Inge Borkh. Und, und, und …
Dass die Werkbeschreibungen den Namen der beteiligten Autoren grundsätzlich Ehre machen, sei nicht verschwiegen. Doch der Ehrgeiz, im selbstbeschränkenden Rahmen möglichst viel zu berücksichtigen, musste Lücken vorprogrammieren. Ohnehin wird der engagierte Opernfreund weiterhin zu Komplementäreditionen greifen. Heinz Wagner (Das große Handbuch der Oper) liefert bewusst nur Inhaltsangaben, damit aber eine umfassende Retrospektive. Und welche Freude, hin und wieder auch in den Uralt-Opernführern von Scholtze, Strantz/Strauch, Storck u.a. zu schmökern, sofern man ihrer antiquarisch habhaft werden konnte.
Matthias Norquet