Louis-Ferdinand Hérold
Le Pré aux clercs
Coro e Orquestra Gulbenkian, Ltg. Paul McCreesh, Collection „Opéra français/French opera“ Palazzetto Bru Zane, Vol. 13
Der Name Hérold lebt heute vor allem noch durch die spritzige Ouvertüre zur Oper Zampa. Auf der Bühne dürfte das Werk indes weiterhin chancenlos bleiben, auch wenn das Stadttheater Gießen 2005 eine Aufführung wagte. Dank der kontinuierlichen Initiativen von Palazzetto Bru Zane, dem in Venedig angesiedelten Zentrum für französische Musik der Romantik, wird jetzt sogar an ein noch entlegeneres Bühnenwerk Hérolds erinnert: Le Pré aux clercs (1832). Der Name bezeichnet ein Areal in der Nähe des Louvre. An der Pariser Opéra-comique wurde das Werk bis 1949 durchaus erfolgreich gespielt. Danach gab es unter Robert Benedetti noch eine Einspielung mit dem Orchester von Radio Lyrique (1959), mit welchem Jésus Etcheverry 1962 Ausschnitte folgen ließ (auch hier ist eine Gesamtaufnahme zu vermuten).
Le Pré aux clercs spielt in den Jahren nach der Bartholomäusnacht von 1572, blutiger Höhepunkt der damaligen Glaubenskriege. Während die im gleichen Zeitraum angesiedelte Handlung von Giacomo Meyerbeers Les Huguenots den Geschichtshintergrund als hochdramatische Folie nutzt, wirkt er bei Hérold fast ausgeblendet, spiegelt sich gerade mal im Liebesverhältnis der Hofdame Isabelle und des Edelmanns Mergy. Dieses versucht der König von Navarra zugunsten einer politisch korrekten Ehe zu hintertreiben. Seine Schwester, Königin Marguérite, verhilft dem Paar jedoch zu seinem Glück. Die bevorstehende Heirat des Gastwirts Girot mit Ninette bildet einen heiteren Kontrapunkt zu diesen Vorgängen; mit dem italienischen Diener Cantarelli werden die buffonesken Elemente der Oper zusätzlich unterstrichen.
Solche Verharmlosung passte zum damaligen Zeitgeist und auch zu Hérolds Überzeugung, dass ein Bühnenwerk pas trop long, bien coupé, bien nerveux et dun grand rhythm sein müsse. In Le Pré aux clercs gibt es durchaus lyrisches Schwärmen, vokale Meditationen, orchestrale Eindunklungen. Das heitere Flair jedoch überwiegt und inspiriert den Komponisten immer wieder zu pikanten, mitunter fast schon offenbachnahen Nummern. Das Maskenfest des 2. Akts erinnert an vergleichbare Szenen in Berlioz Béatrice et Bénédict und Wagners Liebesverbot. Auf der Bühne dürfte das alles nicht leicht in den Griff zu bekommen sein, zumal ausgedehnte Sprechdialoge zu bewältigen sind.
Geradezu beispielhaft geraten diese in der vorliegenden Aufnahme. Sie basiert auf Bühnenaufführungen in Paris und der irischen Festivalstadt Wexford. Bei der Studioproduktion in Lissabon sorgte Paul McCreesh für ein angenehm parfümiertes Klangbild und koloristische Spritzigkeit. Die drei Sopranistinnen Marie-Ève Munger (Isabelle), Marie Lenormand (Marguérite) und Jeanne Crousaud (Nicette) brillieren gleichermaßen virtuos. Michael Spyres bewältigt die tenoralen Höhenflüge des Mergy ohne Kraftmeierei. Gleichfalls optimale Rollengestalter sind Christian Helmer (Girot) und Éric Huchet (Cantarelli). Das inhaltsreiche Booklet gibt es in Buchformat, leider nur in französischer und englischer Sprache.
Christoph Zimmermann