Schneider, Ernst Klaus / Barbara Stiller / Constanze Wimmer (Hg.)
Hörräume öffnen Spielräume gestalten
Konzerte für Kinder
Wer glaubt, Kinder seien das Publikum von morgen, ist von gestern, denn Kinder sind ein Publikum von heute. Konzerte für Kinder wirken sich positiv auf Konzertformen aller übrigen Zielgruppen aus. Ein Kinderpublikum ist gemäß seines ,Zu-hörvermögens für den gesamten Konzertbetrieb Vorreiter, was sein Verlangen nach neuen Aufführungsformen, Musizierweisen, Darbietungsformen, Genres und Musikstilen betrifft, stellt Barbara Stiller in ihrem Beitrag Konzertpädagogik im deutschsprachigen Raum fest.
Neun Jahre nach dem zentralen Sammelband Spielräume Musikvermittlung ersetzt der aktualisierte Band den vergriffenen Erstling. Die Beiträge bilden erneut eine breite Palette an Ideen für Konzertgestalter, u.a. zum Umgang mit Neuer Musik, zur Moderation und zu elementaren Methoden wie der des Singens. Unter Organisation liefert Christian Zech umfassende Arbeitsschritte samt erfahrungsgesättigter Checklisten.
Mehrere Postulate verdichten sich: Es geht um klassische Musik, die live im Konzert gespielt wird. Ziel ist es, das neue Publikum für das Zuhören zu gewinnen. Je jünger die Kinder sind, umso wahrscheinlicher wird es, dass sie lebenslänglich Musik hören wollen. Die (wie partizipativ auch immer gestaltete) Rezeption der Musik hat höchste Priorität: Alle Autoren fordern, dass eine Geschichte das Musikverständnis erhöhen kann, aber nie die Veranstaltung dominieren soll. Offenbar herrscht Unsicherheit angesichts vieler Kinderkonzerte, die zu Geschichten mit Musik geraten. Ernst Klaus Schneider formuliert in seinem Schlusssatz behutsam: Die meisten Kinder hören gern Geschichten. Im Konzert sollten diese den Bezug zur Musik wahren.
Wer macht die Konzepte für die vom klassischen Konzert abweichenden Musikveranstaltungen? Es ist dies ein Musiker oder ein hinzukommender Akteur (Musikvermittler, Konzertpädagoge, Moderator, Schauspieler
), der sich in seiner Rolle immer noch legitimieren muss.
Er muss nicht nur das Musikrepertoire gut kennen, sondern auch die Welt der Kinder. Durchblicke zu finden, Berührungspunkte zu entdecken, Impulse für die aktive Zuwendung auszulösen, das ist Aufgabe der Musikvermittlung, fasst Schneider diese schwierige Aufgabe zusammen.
Sorgfältig und anschaulich analysiert Markus Lüdke in elf Schritten, wie Konzerte komponiert sind, die den neu entstandenen Anforderungen gerecht werden. Bei dem Gestaltungsparameter Vermittlung macht er eine wichtige Feststellung: Die Schwierigkeit besteht darin, dass den Musikern ihre Musik über die jahrelange Beschäftigung oft so selbstverständlich ist, dass ihnen nichts mehr daran fraglich oder erklärungsbedürftig erscheint. Deshalb ist es nicht nur für das Publikum, sondern auch für Orchestermusiker sinnvoll, mit einem Musikvermittler zusammenzuarbeiten oder sich sogar in der neuen Rolle zu erproben. Musik wird (wieder) sehr aufregend.
Iris Winkler