Redepenning, Dorothea

Geschichte der russischen und sowjetischen Musik

Band II – Das 20. Jahrhundert, Teilbände 1 und 2

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2008
erschienen in: das Orchester 03/2009 , Seite 59

Nach dem bereits 1997 erschienenen Band I der Geschichte der russischen und sowjetischen Musik kann Dorothea Redepenning nun endlich den abschließenden Folgeband vorlegen, der aufgrund der Fülle und Komplexität an Daten und Informationen auf zwei Teilbände angewachsen ist. Konnte sich die Autorin im ersten Band auf „einen überschaubaren Kreis von Werken“ konzentrieren, so sei „der Gegenstand entschieden heterogener“, da die „Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts in Rußland einen Sonderweg“ durchlief. Vor allem habe das Buch die Aufgabe, „Gedanken- und Kulturgut, das im eigenen, postsowjetischen Kontext verworfen wird, aber zur Geschichte gehört, vor dem Vergessen-Werden zu bewahren“.
Die Darstellung beginnt mit dem vielfältig-bunten Konzertleben, insbesondere das in Moskau und St. Petersburg zwischen den beiden Revolutionen 1905 und 1917, dem so genannten „Silbernen Zeitalter“ mit seiner schillernden, komponierenden Avantgarde und ihren „Abenden für zeitgenössische Musik“. Deutlich wird aber auch, was sich in die Zeit nach der von vielen herbeigesehnten Oktoberrevolution retten würde. Obwohl dieses Ereignis „einen tiefen Einschnitt in der Kulturgeschichte“ bedeutete, eignet sich „dieses Datum wenig zur Epochengliederung“, da verschiedene künstlerische Strömungen, für die der schillernd-bunte Sammelbegriff Futurismus steht und die die frühen 1920er Jahre prägten, bis um 1910 zurückreicht.
Redepenning erläutert im zweiten Kapitel „Auf dem Weg zur sowjetischen Musik“ u. a. die verschiedenen, fast ins Kraut schießenden, für die Sowjetmacht charakteristischen Termini wie NEP oder RAPM, „ein Gruppencode, über den sich Dazugehören und Ausgegrenztsein regeln“. Es dauerte bis 1932, als mit der „Gleichschaltung der künstlerischen Gruppierungen“ und der Deklarierung und nachfolgenden Etablierung des „Sozialistischen Realismus“ kulturpolitische und ästhetische Direktiven festgeschrieben wurden, welche bis zur Zeit der „Perestroijka“ hielten, obwohl nach Stalins Tod „eine kontinuierliche Relativierung“ einsetzte. Die Autorin erläutert anschaulich im umfangsreichsten Kapitel jene charakteristische Musik, mit welcher ein umfassender Sowjetpatriotismus und Stalinkult in Form von Oratorien, Kantaten, Massenliedern getrieben wurde. Ebenso bildet die Oper einen spezifisch neuen Typus heraus, welcher sich musikalisch u. a. auf die Folklore stützt, wobei die Sujets die Gegenwart spiegeln sollen. Zur wichtigsten Instrumentalform zählte die „programmsymphonische“ Sinfonie, die zunächst auf der Idee der „siegreichen“ Oktoberrevolution basieren, wobei u. a. das Werk Schostakowitschs in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wird.
Im letzten Kapitel schildert Redepenning die Musik und Politik im Schlingerkurs zwischen „Tauwetter, Stagnation und Dissens“ und endet mit der Darstellung eines ungeheuren, um etwa 1970 beginnenden Stilpluralismus, der sich in „eine zeitgenössische Musik des beginnenden 21. Jahrhunderts verwandelte“. Ein großzügiger Anhang mit Quellentexten, Literaturverzeichnis sowie erläuterndem Personen- und Werkregister runden das Mammutwerk ab.
Werner Bodendorff