Händel, Georg Friedrich
Faramondo
Opera in three acts HWV 39, Anna Devin/Iryna Dziashko (Sopran), Emily Fons/Anna Starushkevych (Mezzosopran), Maarten Engeltjes/ Christopher Lowrey (Countertenor), Edward Grint (Bariton), Njal Sparbo (Bass), Festspiel-Orchester Göttingen, Ltg. Laurence Cummings
Die Händel-Festspiele Göttingen sind Pioniere der Händel-Renaissance. 1920 wurde dort seine Oper Rodelinda erstmals nach Händels Zeit aufgeführt und löste das Interesse an Händels Gesamtwerk außerhalb des Messias aus. Seither findet Oper auf Oper wieder einen Platz auf den Bühnen, und derer gibt es bei Händel immerhin 42. Besonders aber die Göttinger Händel-Festspiele bringen Opern szenisch heraus, die es andernorts nicht schaffen. 2014 war es Faramondo, eine der späteren italienischen Opern Händels.
Insgesamt hat sich die anfängliche Euphorie in Sachen Händel-Oper man denke an München beruhigt. Denn mit Oper verbindet sich für den heutigen Hörer ein gewisser humanistischer Anspruch, wie ihn herausragende Opern-Meister wie Monteverdi, Mozart, Verdi und Wagner als essenzielle Botschaft ihrer Werke verstanden. Bei aller guten Absicht schaffte Händel das nicht. Auch wenn sein Thema immer wieder die Position der Mächtigen und deren Ohnmacht den wahren Wesenszügen der Menschen gegenüber war, handelte er vor allem als Geschäftsmann. Als Opernimpresario in der Metropole London musste er dafür sorgen, dass auf der Bühne Sachen passieren, welche den teuer zahlenden Besuchern gefallen. Obwohl er schnell arbeitete, war da für individuelle Formen kein Platz.
Samt und sonders, so auch Faramondo aus dem Jahr 1738, sind seine 35 Londoner Opern dem Schema der Opera seria verpflichtet, folgt darin eine weitere Arie auf ein weiteres Rezitativ, werden darin immer und immer wieder die Affekte durchbuchstabiert, die in ein ordentliches Libretto eben gehörten: Liebe, Leid, Eifersucht, Sehnsucht, das aufgewühlte Meer, der verruchte Gegner und so weiter. Die dazu erfundenen Handlungen werden auch von Kennern und Experten als verworren und unverständlich kompliziert bezeichnet. In Faramondo geht es vordergründig um den sagenhaften salfränkischen König Faramund, ansonsten um das übliche Ränkespiel aus Hoffnung, Liebe, Eifersucht und finalem Großmut.
Daher hat es kaum mehr als dokumentarischen Wert, wenn dieses Stück auf CD erscheint. Wenn man die Inszenierung nicht sieht das einzige Mittel, um der Handlung ein Gesicht zu geben , ist alles wieder nur die Abfolge der standardisierten Arien-Typen, die der geniale Händel in seine bewährt originelle Musik gesteckt hat. Die gibt es hier in einer anständigen Aufführung zu hören, mit dem mit vielen Musikern bekannter Barockorchester besetzten FestspielOrchester Göttingen auf Original-Instrumenten und dem Festspiel-Chef Laurence Cummings am Dirigentenpult. Elastisch und geschmeidig gestalten sie die wohlbekannten Wendungen und geben den durchweg guten Solisten ein energiegeladenes Fundament. Zügig voran geht es in den fast drei Stunden Händel-Opernmusik, leider immer wieder heftig gestört vom Getrampel und Gepolter, das bei Live-Bühnenaufnahmen nicht zu vermeiden ist.
Kurz: Wer meint, auch Faramondo in seiner Händel-Sammlung haben zu müssen, der greife zu. Wer es nicht tut, der wird gewiss nichts versäumen.
Laszlo Molnar