Loesch, Heinz von / Claus Raab (Hg.)
Das Beethoven-Lexikon
Als Teil des sechsbändigen Beethoven-Handbuchs, das von Albrecht Riethmüller herausgegeben wird, ist jetzt das Beethoven-Lexikon erschienen. Der Berliner Musikwissenschaftler Heinz von Loesch und sein Essener Kollege Claus Raab sind die Herausgeber des umfangreichen Werks, das mehr ist als eine in einzelne Lexikonartikel aufgelöste Beethoven-Monografie. Es ist vielmehr ein breit gestreutes Kompendium von Beiträgen über und um den Meister aus Bonn, die die Biografie Beethovens, sein Werk, seine Zeit und seine Deutung ebenso betreffen wie die Interpretationsgeschichte und Aufführungspraxis. Das macht das Lexikon gerade für ausübende Musiker sehr wertvoll.
Selbst Aspekte moderner Musikwelt werden auf Beethoven bezogen, wenn zum Beispiel ein Artikel mit Marketing überschrieben ist und des Komponisten Karriereplanung sowie Vermarktung in eigener Sache behandelt. Auch Beethoven in der Karikatur (einschließlich des Comics) oder im Film sind Themen, die das Nachleben des Komponisten in modernen Medien aufgreifen. Zum berühmten Klavierstück “Für Elise” gibt es gleich zwei Artikel: einen zum Original und einen zur Verwendung der populären Komposition in der Pop-Musik.
Das jetzt vorliegende Beethoven-Lexikon verdankt sich der Mitarbeit von über hundert Autoren, denen die beiden Herausgeber wie sie im Vorwort ausführen möglichst wenig Vorgaben gemacht haben. So gibt es denn auch eine Fülle von Querbezügen und Betrachtungen eines bestimmten Gegenstands aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Artikel zur Biografie, die neben den berühmten Themen wie Heiligenstädter Testament und Unsterbliche Geliebte auch Beiträge zu Beethovens Humor, Umgangsformen oder Heiratsplänen umfassen, geben ein plastisches Bild der Person dieser prägenden Gestalt der Musikgeschichte. Doch es geht, wie gesagt, in diesem Lexikon gerade auch um die Wirkung Beethovens bis heute: bei nachgeborenen Kollegen und anderen Künstlern, aber auch in Politik und Gesellschaft, zum Beispiel in den totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts.
Nicht gering sind zudem die Beiträge über berühmte Beethoven-Interpreten des vergangenen Jahrhunderts und der Gegenwart. In diesem Segment dürfte die Auswahl der erwähnten Künstler, die stets nur in ihrem Bezug zu Beethoven vorgestellt werden, selbstverständlich am ehesten Kritik ausgesetzt sein. Dass da Lücken herrschen und die Entscheidung für oder gegen bestimmte Interpreten letztlich subjektiv bleibt, räumen die Herausgeber im Vorwort selbst ein. Dass neben einschlägig bekannten Beethoven-Dirigenten wie Furtwängler, Toscanini, Klemperer, Karajan und Bernstein mit John Eliot Gardiner und Roger Norrington auch zwei Protagonisten der historisch informierten Aufführungspraxis vertreten sind, zeigt, dass das Lexikon in diesem Bereich auf der Höhe der Zeit ist.
Im Grunde ist dieses um ein Werkverzeichnis und eine Chronik ergänzte Beethoven-Lexikon viel zu schade, um es nur bei Bedarf als Nachschlagewerk zu nutzen. Es ist ein spannendes Beethoven-Lesebuch, das bei der Durchsicht unaufhörlich zum Lesen lockt.
Karl Georg Berg