Gounod, Charles
Cinq-Mars
Chor des Bayerischen Rundfunks, Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Ulf Schirmer
Paris, im Jahr 1642: Seit mehr als drei Jahrzehnten regiert König Ludwig XIII., in Wahrheit jedoch zieht ein anderer die Strippen der französischen Politik: Kardinal Richelieu. Mehrere Intrigen konnte der machtbewusste Geistliche mit Hilfe seines Spionagenetzwerks bereits aufdecken, dieses Mal jedoch haben sich Adlige und Höflinge mit einem Favoriten des Königs zusammengetan, den Richelieu selbst einst an den Hof gebracht hatte: dem jungen Marquis de Cinq-Mars. Doch auch diese Verschwörung scheitert: Cinq-Mars eigene Machtgelüste und seine unglückliche Liebe zur Prinzessin Marie de Gonzague bringen ihn zu Fall. Der Komplott wird aufgedeckt, Père Joseph ein mit Richelieu befreundeter Kapuziner, das historische Urbild aller grauen Eminenzen weiht den König in die verräterischen Pläne ein, Cinq-Mars wird hingerichtet.
Dies ist verkürzt der Plot einer Novelle von Alfred de Vigny, die der Impresario der Opéra Comique, Léon Carvalho, 1876 als geeigneten Opernstoff auswählte und Charles Gounod zur Komposition antrug. Dessen letzter Opernerfolg, Roméo et Juliette, lag bereits zehn Jahr zurück, entsprechend groß war der Werbeaufwand, der im Vorfeld der Premiere am 5. April 1877 stattfand. Das Werk wurde durchaus beifällig aufgenommen, doch konnte sich weder diese Erstfassung eine Oper mit gesprochenen Dialogen noch die später erstellte Umarbeitung zur Grand Opéra (mit Rezitativen) im Repertoire halten.
Die vorliegende, in limitierter Auflage produzierte CD gibt Gelegenheit zur Wiederentdeckung und zum Nachdenken darüber, warum diese Oper Gounods anders als Mireille, Roméo und zumal Faust keine Langzeitwirkung entfalten konnte. Ist denn nicht, salopp formuliert, alles dabei? Gut singbare, charaktervolle Partien, dankbare Aufgaben für den Chor, ein farbiger Orchesterpart, eine Historienhandlung, gewürzt mit schmackhaften Ingredienzien. Offenbar strebte Gounod danach, mit einfachen Mitteln Eindrücke von Größe, Klarheit, ja: Eleganz zu erzielen. Dies ist zweifellos gelungen, es fehlen der Partitur mithin echte dramatische Akzente ebenso wie zündende Melodien. Manch feingesponnene Chor- und Ensembleszene sowie das anmutige Divertissement im 2. Akt wiegen diesen Mangel problemlos auf. Das finale Duett-Gebet im Angesicht des Schafotts hingegen kommt arg gestelzt des Weges.
Fazit allemal: Die Neubegegnung lohnt! Unter Federführung des Bayerischen Rundfunks und des Palazzetto Bru Zane/Centre de musique romantique française ist eine rundum erfreuliche Produktion entstanden: Mathias Vidal als Cinq-Mars, Véronique Gens als Marie, Tassis Christoyannis als de Thou und die Sänger der kleineren Rollen gestalten ihre Partien mit Profil und Couleur. BR-Chor und Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Ulf Schirmer sind vorzügliche Partner. Von wissenschaftlicher Akribie zeugt das aufwendig gestaltete Begleitbuch
für Kurzbiografien von Sängern und Dirigent wäre aber vielleicht doch Platz gewesen?
Gerhard Anders