Grodner, Murray
A Double Bassist’s Guide
to Refining Performance Practices
Murray Grodner ist ein Grandseigneur der amerikanischen Kontrabassisten-Zunft. Er spielte an führender Position beim Pittsburgh Symphony noch unter Fritz Reiner und beim NBC Symphony unter Arturo Toscanini, Solostellen bei anderen Orchestern und Kammerorchestern folgten. Seine praktischen Erfahrungen setzte er um in zahlreichen Publikationen und Artikeln in den gängigen Fachzeitschriften in den USA. Lange Jahre war er zudem Kontrabass-Professor an der Jacobs School of Music an der Indiana University in Bloomington.
Jetzt veröffentlichte der 91-Jährige einen Führer zur Verbesserung der Aufführungspraxis und brachte darin die Summe seines Wissens und Könnens unter. Das 156 Seiten starke Heft ist bisher nur in englisch erschienen, eine Übersetzung würde sich sicher lohnen. Sehr dezidiert analysiert Grodner zunächst auf reinen Textseiten alle Fragen des Kontrabassspiels. Er untersucht dabei z.B. die Bewegung des linken Arms und der Hand, das Vibrato, den Bogen-Arm, die Tonerzeugung. Zugleich zeigt er dabei zahlreiche Problemlösungen auf, die sich bei all den Fragen ergeben.
Im zweiten Kapitel beginnt der Notenteil. Zunächst geht es los mit ganz essenziellen Bogen-Übungen, die an Umfang und Schwierigkeit zunehmen. Immer gibt es dazwischen erklärende Hinweise. Grodner ist ein Verfechter des ständigen Tonleiterspielens zur Verbesserung von Technik und Intonation. Seine Dur- und Moll-Skalen über zwei Oktaven sind mit Fingersätzen versehen, die nicht nur für den Anfänger gedacht sind. Im Anschluss daran gibt es zahlreiche sinfonische Orchesterstellen der heiklen Art, für die er technische Lösungen anbietet.
Der ganze dritte Teil beschäftigt sich mit allgemeinen Kontrabass-Fragen. Da geht es u.a. um die alte Diskussion, ob man die deutsche oder die französische Bogenhaltung favorisieren soll oder wie sehr Kammermusik die technische und musikalische Entwicklung befördert. Dazu kommen dann amerikanisch-spezifische Organisationsfragen, wo man das Instrument lernen kann und wie die Chancen für eine berufliche Karriere stehen. Kurz vor Schluss kommt dann die gehobene Praxis. Auf zwei Seiten gibt es zunächst das Präludium der zweiten Cello-Solosuite von Bach, danach folgen die kompletten Solostimmen des Dragonetti-Konzerts in G-Dur und des Koussevitzky-Konzerts op. 3. Hier bietet der Autor Phrasierungsvorschläge an, aber keine Fingersätze.
Im fünften und letzten Kapitel beschäftigt sich der Professor noch einmal mit ganz praktischen Fragen. Zum Beispiel geht er dem Pult-Teilen bei Bassisten nach, das nicht selten zu Sehproblemen führt. Viel Raum nimmt sich Grodner auch für den Aufbau der Muskeln und für die Stabilität des Muskelapparats.
Diese neue Veröffentlichung ist sicher hilfreich für jeden Bass-Studierenden. Die Text- und Notenbeispiele sind nicht ganz auf dem neuesten Stand, die Herausforderungen für einen heutigen Bassisten sind heute oft ganz andere. Dennoch hat dieser intensive Blick auf das Ganze seine Aktualität nicht verloren.
Wolfgang Teubner